Digitale Gefährten in der Altenpflege

Vorbemerkungen

Die Altenpflege ist ein großes Thema in den westlichen Industrieländern. Der demographische Wandel sorgt für eine Zunahme von Menschen, welche über 60 Jahren sind und der segensreiche medizinische Fortschritt und friedliche, wohlfahrtsorientiere Gesellschaften gewährleisten eine steigende Lebenserwartung.

Gleichzeitig sorgen zunehmender Kostendruck in der persönlichen Pflege, weniger Zeit und Bereitschaft zur Pflege in den Familien und steigende Erwartungen an Mobilität und Pflegestandard für Engpässe, Unzufriedenheit und Ineffizienzen.

Im Rahmen meiner Arbeit interessiert mich besonders, wie die Mechaniken aus der Digitalisierung und Technik, bei der Verbesserung der Altenpflege einen Beitrag leisten können? Die Nutzung vorhandener Technologie und die sinnvolle Erweiterung von dieser sind nach meiner Überzeugung in der Lage, mit verhältnismäßig wenig Mitteleinsatz ein Maximum an Wertbeitrag liefern können. Dies mag sehr betriebswirtschaftlich formuliert sein, aber die heutige Pflegerealität ist größtenteils wirtschaftlich geprägt. Deshalb geht es mir hier um das Ansprechen von sinnvollen Beiträgen aus der aktuellen Technik und nicht um weitere Kostenrunden im pflege-technischen Komplex. Dass der Einsatz von engagierten Personal und Familienangehörigen dabei nicht ersetzt werden kann und soll, ist selbstverständlich.

Situation

Als Reaktion auf die Unzulänglichkeiten in der Altenpflege lassen sich einerseits arbeitsmarktpolitisch motivierte Forderungen nach mehr Geld, Verkürzung der Ausbildungszeit von Altenpflegern und die Zunahme von privaten Pflegenetzwerken mit kritischen Beschäftigungsverhältnissen und fragwürdigen Hintergrund beobachten. Und dies ist nur ein kleiner Teil der Fragen und Problematiken, welche mit der Gewährleistung einer guten Altenpflege verbunden sind.

Häufig ist die Diskussion davon geprägt, dass mehr Menschen (Pflegepersonal) den Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden soll, deren Qualität möglichst hoch zu minimalen Kosten zu sein hat. Selbstbestimmung und die weitgehend autarke Lebensführung als Ziel für die zu betreuenden Alten tritt dabei meist in den Hintergrund. Dieser primär paternalistisch-wirtschaftlich geprägte Ansatz der Pflegerealität verkennt aber, dass ein wesentlicher Teil der Pflegefälle nicht eines hochprofessionellen Pflegemanagements und einer hochfrequenten Verfügbarkeit von Pflegepersonal bedürfen, sondern relativ leicht adressierbar durch einfache, zwischenmenschliche Kontaktpflege wäre. Ansprache, aufeinander Eingehen sowie Wertschätzung, das Anerkennen von formulierten Bedürfnissen, Geschichten erzählen, relevante Nachrichten und Kontakte herstellen – kurz, kleine Dinge und Aufmerksamkeiten erhalten die Vitalität und erhöhen die Lebensqualität in der Altenpflege, im Verhältnis zu ihren Herstellungskosten, signifikant und effizient.

Soziale Roboter, Gefährten-, Pflege- und Service-Roboter

In Japan gibt es schon seit Jahrzehnten einen relativ unverkrampften Umgang mit dem Einsatz von Technik in Medizin und Altenpflege. Roboter wie bspw. der terapio übernehmen die Rolle des Ansprechpartner und Gefährten und sorgen für geistige und körperliche Aktivität bei Senioren. Eine Studie der Pennsylvania State University arbeitete dabei interessanterweise heraus, dass ältere Menschen nicht – wie in Japan häufig auffindbare – fröhliche Zeitgenossen wünschen und ernst nehmen, sondern seriös auftretende elektronische Assistenten sind gewünscht.

Pflegeroboter können auch praktische Aufgaben übernehmen und bspw. Medikamente ausgeben, aber auch die Rolle eines Haustiers einnehmen. Entscheidend für Akzeptanz und Erfolg ist also die Gestaltung der Kommunikationsschnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Dazu gehört eben auch zu wissen, welche Persönlichkeiten für Roboter mit unterschiedlichen Aufgaben am besten geeignet sind.

Sprachbasierte Assistenten in der Altenpflege

Abseits der physischen Präsenz von technischen Assistenten ergeben sich mit der zunehmenden Verbreitung von Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Google Assistant, Apple Siri, Samsung Bixby usw. ganz neue, kostengünstige Möglichkeiten, Zuwendung für ältere Menschen zu erzeugen. Diese Dienste basieren allgemein auf der Kombination von großen, performanten Datenspeichern und leistungs- und lernfähigen Algorithmen (Deep Learning, Machine Learning usw.) mit Sensoren (Mikrophonen) und Aktoren (z.B. IoT-Geräte). Dabei entstehen Anwendungsfälle, welche man bis vor kurzem noch in Science Fiction-Filmen wähnte. Die Technologie ist aber auch geeignet, längere Konversationen über alltägliche Dinge, Erinnerungen, Nachrichten, Informationen zum Alltag (Wetter, Termine, Öffnungszeiten usw.) zu gewährleisten. Sprache und Algorithmen verleihen den Diensten fast so etwas wie eine Persönlichkeit und werden vom Nutzer auch als solche wahrgenommen.

Dies macht schon das einfache Beispiel deutlich, wenn Alexa falsch oder gar nicht auf einen Sprachbefehl reagiert und der darauffolgenden persönlichen Enttäuschung und meist auch mit den damit verbundenen verbalen Anschuldigungen.

Bislang sind die Dienste noch nicht auf die Bedürfnisse der alten Menschen und insbesondere der Memorierung von längeren Konversationen ausgerichtet. Die Flexibilität des technischen Konzepts und Architektur machen dies jedoch leicht möglich. Zur Erweiterung der Funktionalität bietet Amazon für Alexa die Möglichkeit an, Skills (im Grunde eigenständige Apps, welche auf die Alexa-Infrastruktur zurückgreifen) zu installieren. Google offeriert mit den „Actions“ eine vergleichbare Entwicklungsarchitektur für den Google Assistant.

Auf CES 2018 wurde das Bostoner Crowdfunding-Projekt des Social Robot Jibo einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Konzept und Realisierung kommen dem Anspruch eines sozial akzeptierten technischen Gefährten schon nahe.

Wesentliche Entwicklungsschritte in Richtung eines für die Altenpflege geeigneten Sprachassistenten könnten sein:

  • Transparenz über virtuelle Persönlichkeit des Angebotes
  • Memorierung von längeren Unterhaltungen
  • Anpassung des Sprachtempos
  • Sprechererkennung (bis hin zur Sprachauthentifizierung wie bspw. mit Precire), um vertrauliche Gesundheitsdaten zu managen
  • Vernetzung mit Notruf- und Heimassistenz-Systemen/-Diensten
  • Einbindung lokaler Nachrichten und Ereignisse
  • Vernetzung mit Familien und Peer-Groups (diese Möglichkeiten werden teilweise schon heute über Sprauchanrufe ermöglicht)
  • Vernetzung mit Patientenakten und Health-Care-Geräten (Blutzuckermessgeräten, Puls, Oxymeter, Fieberthermometer, Medikamentendosierern, Wasserspendern usw.)
  • Mobilität und Ubiquität im persönlichen Umfeld
  • Reporting und Audit-Funktionalität für Pflegepersonal
  • Definition von Übergabepunkten an Medzin- und/oder Pflegepersonal

Das Wesentliche und Aufwändige ist mit der Verfügbarkeit und der Infrastruktur für diese Geräte bereits geschaffen. Es benötigt eigentlich nur noch der vergleichsweisen gering aufwändigen Anpassung und Erweiterung der Sprachdienste, um diese als wertvolle Pflegehelfer sinnvoll einzusetzen. Erste Realisierungen und Start-ups sind noch nicht bekannt, werden aber wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Die Konversationen über Sprache in der Altenpflege bieten sich deshalb besonders an, weil sie niederschwellig sind und leicht verfügbar gemacht werden können. Da die semantische Erkennung letztendlich aber auf dem Parsing von Texten basiert, können die Dialoge parallel oder alternativ auch über Chatbots in Messenger etc. verfügbar gemacht werden.

Conversational Commerce

Auf die breiten Möglichkeiten des Einsatzes von Chat-Robotern habe ich bereits in meinem Beitrag Conversational Commerce – Vertrieb über Messenger hingewiesen. Die selbe oder vergleichbare künstliche wie menschliche Intelligenz und Anwesenheit lässt sich auch speziell im Gesundheitswesen und Pflege gezielt einsetzen. Ein Beispiel aus Deutschland ist das Start-up DOCYET aus Leipzip, welches AI-basierte Chat-Bot-Dienste als Cogierge-Service im Gesundheitsdialog anbietet.

Wahrnehmung im Lifecycle

Wie bei jeder neuen Technologie oder Anwendungsverfahren, stellt sich eine Phase der Ernüchterung nach den übersteigerten Anfangserwartungen ein. Dies ist auch bei der Nutzung von Sozialen Robotern zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist der Audio-Beitrag des Deutschlandfunks.

Deutschlandfunk: Zukunft der PflegeSoziale Pflege-Roboter setzen sich nur langsam durch. 18.02.2019

Weitere Beispiele finden Sie in den sorgsam kuratierten weiterführenden Links.

Quellen und weiterführende Links

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