Virtual Reality (VR) im Vertrieb und Marketing

Spätestens seit 2016 hat sich der Hype für Virtual Reality-Anwendungen stark beschleunigt. Einen nicht unerheblichen Anteil dürfte daran die Verfügbarkeit der der Eift-Brille vom Facebook-Ableger „Oculus“ haben, aber auch die Spieleindustrie setzt seit dieser Zeit – erneut – auf diese Form der Datenpräsentation.

Samsung hat sein Angebot um Datenbrillen erweitert, welche das Smartphone in ein Brillengestell eingeklingen. Facebooks Konkurrent Google hat mit einer Low Cost-Variante (Cardboard) derweil schon vorgelegt.

Die erstmals in den 90er aufgekommene Technologie floppte damals, weil die intensiv notwendige Rechnerkapazität noch zu teuer oder gar noch nicht verfügbar war. Heute sind steht leistungsfähige und kostengünstige Technologie bereit.

Grundlagen und Erfolgsfaktor

Nachdem die ersten Modelle aus den vergangenen Jahren meist klobig und umständlich waren und ziemlich regelmäßig auch bei den Nutzern Übelkeit aufgrund der fehlenden Hand-Augen-Koordination hervorriefen, ist die neue Generation wesentlich smarter, tragbarer und auch bekömmlicher. Kern aller Angebote ist die Darstellung von zwei stereoskopischen Bildern unmittelbar vor den Augen unter Auslassung der realen, umgebenden Welt. Dadurch entsteht ein immersives, als real empfundenes virtuelles Bild in drei Dimensionen. Jeder kann erkennen, was nah und fern ist.

Die grundlegende Technik ist bekannt und wurde bereits schon vor über 100 Jahren eingesetzt. Sie ist auch einfach selbst zu machen wie bspw. die Handreichung der DLR School (vgl. unten) belegt. Neu – aber fundamental die Spielregeln ändernd – ist der Umstand, dass die Bilder quasi das Laufen lernten und ähnlich der Entwicklung der Photographie folgend als Video ein eigenes Genre begründen.

Der 3D-Eindruck und die unmittelbare Reaktion auf Lageveränderungen des Betrachters (Kopf- bzw. Körperbewegung) vermittelt diesem den Eindruck sich in der Welt zu befinden und Teil von ihr zu sein. Dass dies wegen der fehlenden körperlichen Bewegung bei der Rückkoppelung nicht immer ohne negative Rückmeldung des Körpers geht, ist auch eine Begleiterscheinung, welche die Hersteller mit aufwändigen Mitteln versuchen in den Griff zu bekommen.

Was kostet verbrauchernahe VR-Technik derzeit? (Stand: Oktober 2017)
  • Die Oculus Rift ist für knapp 500 Euro erhältlich. Das eigentliche teure dabei dürfte der notwendige PC sein, welcher mit vier freien USB 3.0-Ports und eine Graphikkarte mit der Leistung von mind. der GeForce GTX 970 ausgestattet sein muss.
  • Neu ist das Angebot der Oculus Go, welche bereits ab 199 USD verfügbar sein soll.
  • Das Vive-System, gemeinschaftlich entwickelt von HTC und Valve, ist mit knapp 700 Euro verfügbar.
  • Sony VR-Headset für die Playstation ist bereits ab knapp 300 Euro zu haben, zzgl. der Playstation 4.
  • Die Cardboard-Anwendungen von Google sind wesentlich günstiger, da der Bildschirm von dem schon vorhandenen SmartPhone gestellt wird. Sie sind schon für ein paar Euro zu haben.
  • Ebenso wie Google setzt Samsung mit seiner Gear VR-Lösung auf die eine Art BYOD. In die Halterung der Brille muss man ein bereits vorhandenes Samsung Galaxy Note 4 einsetzen. Diese sind schön günstig erwerbbar.
  • Das Hololens-Modell von Microsoft ist noch nicht breit verfügbar und wirkt auch noch nicht marktfähig.
  • Das sicherlich interessanteste Konzept der jüngeren Zeit ist die Integration von Augmented Reality durch das AR Kit von Apple. Dieses verzichtet zwar auf eine separate visuelle Einheit wie eine Brille und verlässt sich auf die aktuellen Generationen seiner Smartphones, aber gerade dies ermöglicht eine breite Einsetzbarkeit und hohe Alltagstauglichkeit. Vermutlich dürfte es sich dabei um das momentan interessanteste Konzept handeln.

 

Die aktuelle VR-Technologie ist also in der Lage, zu vertretbaren Kosten und Vorbereitungen ein interaktives, immersives und unmittelbares virtuelle Erleben von graphischen Elementen bzw. Räumen zu liefern. Damit ist die Technologie prädestiniert, das auf die selben Rezeptoren und Mechaniken abzielende graphische Gewerbe der Werbung wirksam zu ergänzen und künftigen Interessenten und Kunden das beworbene Produkt virtuell erleben zu lassen.

Erfolgsfaktor der Virtual Reality ist es also Empathie beim Betrachter/Konsumenten zu erzeugen. Mehr und abseits von statischen Bildern in Prospekten, bewegten Bildern in TV-Commercials oder Web-2.0-Videos kann mit VR eine individuell erzeugte und angepasste Realität für den Kunden mit dem Produkt erzeugt und ausstaffiert werden.

Reifegrad

Nach einer stürmischen Berichterstattung und dem damit verbundenen (in der IT nicht unüblichen) Hype, stellt sich nun bei den VR- und AR-Anwendungen/Technologien eine Phase der Ernüchterung, aber auch der Anwendung und zunehmenden Produktivität ein. Das Analyseunternehmen Gartner sieht den Reifegrad von VR sogar in der Phase der „Slope of Englightenment“, also kurz vor dem Durchbruch zu produktiven Anwendungen. Damit scheint der Reifegrad dieser kommenden Technologie weiter zu sein, als Anwendungen aus der IoT, dem Machine Learning oder bspw. 5G.

Gartner Hype Cycle Emerging Technologies 2017

Anwendungsbeispiele von Virtual Reality im Vertrieb und Marketing

Wie so häufig bei neueren Technologien schießt die Fantasie über die möglichen und praktikablen Anwendungsfeldern ins Kraut und vielleicht hin und wieder auch darüber hinaus. Aus dem heutigen Blickwinkel könnten folgende Anwendungsfelder jedoch realistisch sein bzw. sind schon in Erprobung und Einsatz.

Virtuelle Meetings und Social VR

Videokonferenzen, Telepräsenzlösungen, Screen-Sharing-Tools etc. sind in der Geschäftswelt bekannt und geliebt bzw. auch gefürchtet. Sie in der globalisierten Welt gleichwohl eine wichtige Ergänzung und Alternative zum Präsenz-Meeting-Jetset.

VR-Technologie könnte diese meist drögen und wenig immersiven Veranstaltungen auf ein neues Level heben. Teilnehmer könnten als Avatare vor der neuen Produktentwicklung Position beziehen und sie von allen Seiten betrachten. Dabei mag zunächst ein Gefühl wie bei dem Social-Media-Vorläufer „Second Life“ aufkommen, aber die Avatar werden mit Hilfe der modernen Graphik-Engines aus dem Gaming-Sector schnell an Kontur (sprich Polygonen und Shadings) gewinnen und zunächst photorealistisch und dann nahezu realistisch Gestalt annehmen.

Trotz dieser Perspektive, ist der Kapital- und Technikeinsatz zunächst einmal hoch und verhindert die Verbreitung. Zudem sind Akzeptanzprobleme zu erwarten, so dass dies vermutlich auf absehbare Zeit keine vernünftige Hoffnung eines Sales-Profis sein wird seine Außentermine zu reduzieren.

Die NASA hat gemeinsam mit Microsoft für diese Zwecke das Projekt Sidekick initiiert, welchem es Ground Control ermöglichen soll den Astronauten mittels der Hololens-Brille 3D-Welten einzuspielen.

Facebook werden ebenfalls Ambitionen nachgesagt, in seine immer weitere Bereiche umfassende Plattform eine Dimension von Social VR hinzuzufügen. Der Kauf von Oculus dürfte zumindest diese Gerüchte unterfüttern.

Autopräsentation bei Audi-Händlern

VR-Brille im Audi Showroom
VR-Brille im Audi Showroom

Wesentlich konkreter wirkt dagegen schon der Use Case des virtuellen Showrooms welchen Audi seinen Händlern an die Hand gibt, damit diese potenziellen Käufern jede Ausstattungsoption in Gestalt, Farbe und Zusammenspiel mit den übrigen Komponenten im Wunschauto präsentieren können. Bei Millionen von Möglichkeiten an Ausstattungsoptionen, welcher kein Händler je vorhalten könnte, ist dieser Ansatz sehr vielversprechend und erzeugt einen echten Mehrwert für den Käufer. Hervorzuheben ist dabei, dass die Modelle nicht nachgebildet werden, sondern direkt aus den CAD-Daten virtuell verfügbar gemacht werden. Jedes Bauteil soll also absolut dem Original entsprechen.

Eine weitere Spielart ist der Einsatz von Augmented Reality-Techniken zur Erläuterung von Funktionalitäten des Autos bei Audi.

Fiat und Accenture haben gemeinsam mit dem Google Project Tango (vgl. unten) auf dem diesjährigen Mobile Word Congress die virtuelle Besichtigung eines Fiat 500 vorgestellt. Zur virtuellen Besichtigung reicht bereits ein Smartphone aus. Farben, Ausstattungsmerkmale etc. können während der Erkundung geändert werden.

Immobilienbesichtigung

Bei der Vermarktung von Immobilien sind regelmäßig viele Emotionen involviert. Abseits des dominanten Lage-Kriteriums ist die Ausstattung, der Ausblick, die Möblierung und das Interior Design insbesondere bei hochwertigen Investitionsobjekten ein Kaufparameter. Um die dafür notwendigen „Bilder im Kopf des Kunden“ zu erzeugen, wird sich i.d.R. aufwändiger Prospekte oder Musterwohnungen bedient. Der Einsatz von VR-Technologie ergänzt diese bewährten Visualisierungsinstrumente. Anders als bei diesen statischen Möglichkeiten, kann mit VR die konkret ins Auge gefasste Wohnung mit den korrekten Grundrissen, Ausblicken, Lichtverhältnissen und mit einem schier unendlichen Katalog an Farben, Möbeln und Designs eingerichtet und begangen werden. Innenarchitekten, Designer und Verkäufer müssen dazu ihre Vermarktungsstrategie abstimmen und die technischen Visualisierungsinstrumente gleichzeitig mit den üblichen Vkf-Mitteln entwickeln. Eine weitere Ergänzung um eine App kann dabei ebenso mit anfallen.

Showroom-Installationen

Es muss nicht gleich zu aufwändig wie bei Audi sein, denn kleinere Produktpräsentationen und Sortimentsdarstellungen lassen sich auch mit weniger Aufwand erzeugen. So kann bspw. die neue Küche virtuell begehbar und benutzbar gemacht werden und interaktiv mit den Kunden um weitere Einbauten in dem Moment, in der der Kunden in dieser „steht“ ergänzt werden. Google beschäftigt sich mit dieser Möglichkeit in seinem Hardwareprojekt Tango seit 2014. Dabei soll die eigene Bewegung in Echzeit erfasst werden und in virtuelle Räume und Objekte appliziert werden. Auf der CES 2016 stellte Google dazu einige Anwendungsszenarien vor. Ein Beispiel ist die Vermessung von Räumen mit einem Tango-Gerät, um darin virtuell Möbel zu platzieren. Damit kommt die Wohnung in das Einrichtungshaus. Ob dieser spezifischer Einsatz jedoch effizient ist, wäre zu zu hinterfragen, da die in einem Möbelhausverkaufsgespräch erzeugten Emotionen und falschen Vorstellungen über Raum und Passung dann vielleicht zu schnell nach der Konfrontation mit der heimischen Realität verworfen werden.

IKEA testet zwischenzeitlich virtuelle Rundgänge in einem Möbelhauses. Dazu wird eine erste App auf der Spielplattform Steam bereitgestellt. Zum Einsatz kommt ein entsprechendes Headset von HTC. Die ausgewählte Kücheneinrichtung kann gewechselt und verglichen werden oder in die Perspektive eines Kindes gewechselt und betrachtet werden.

Kleidungsstücke können an Musterkörpern oder auch an dem vorher im 3D-Scanner vermessenen eigenen Körper „angezogen“ und erlebt werden. Der virtuelle Einbau in das beabsichtigte Nutzerszenario (z.B. der Abendempfang) kann für den erforderlichen empathischen Moment sorgen.

Diesen Weg beschreitet auch Sports Illustrated, welches seine bekannte Bademoden-Präsentation in 2016 auch als Virtual Reality-Erfahrung vermarkten möchte. Dazu werden Google Cardboard-Brillen über die Print-Hefte verteilt, damit die verfügbaren iOS und Android-Apps den richtige immersiven Eindruck vermitteln können. Das Teaser-Video zeigt schon einen Einblick in das Shooting in der Dominikanischen Republik.

Werbemitteltests

Werbemittel können in die beabsichtigte Umgebung eingebunden  werden und dem Probanden in dem Kontext gezeigt werden, in der diese auftauchen sollen: Out-of-Home-Material z.B. im Strassenzugambiente, Bandenwerbung im virtuellen Stadion usw.

Virtuelle Reiseplanung

Es muss nicht gleich die Einpflanzung von künstlichen Erinnerungen an eine schöne Urlaubsreise wie bei Total Recall sein, aber die Betrachtung von Urlaubszielen, Landschaften in einer künstlichen Realität kann helfen das richtige Ziel auszuwählen. Marriott lud dazu bereits Kunden aus acht Städten zu einem virtuellen Trip nach London oder Hawaii mit der Oculus Rift ein (#TRAVELBRILLIANTLY). Oder der District British Columbia entführte Interessenten virtuell in die kanadische Wildnis: „The Wild Within„. Diese Anwendung im Reisebereich vermittelt sicher die meisten Emotionen als virtuelle Anwendung.

Glücksspiel (Gambling & Gaming)

Der Einsatz von affektstarken Mitteln im Glücksspielbereich ist eine lange geübte Tradition, man muss sich nur die einarmigen Banditen, die Slot-Machines oder etwas moderner die Video-Lottery-Terminals (VLT) anschauen. Sobald es blinkt, piept und summt ist die Aufmerksamkeit des Spielers signifikant größer und auch der Wunsch mit dem Spiel weiterzumachen. Der Einsatz von Virtual Reality erschließt sich hier erst auf den zweiten Blick, da ja die haptische Wahrnehmung eben fehlt.

Alexandre Tomic, Mitgründer von Alea.com, welche SlotsMillion als VR Casino heraus gebracht haben, sieht auf jeden Fall große Möglichkeiten in dem Einsatz von VR. Gleichwohl wird befürchtet, dass die Regulierungsbehörden dies ebenso sehen und lieber diese Büchse schließen wollen, weshalb zumindest er zunächst den Einsatz in Social Gaming statt Echtgeldspiel sieht.

“VR should be the ultimate platform for gambling,” he said. “It should be the missing link between real-money gambling and social gambling, and the point where players of the latter stare over at those winning cash and decide that they would like that instead of points or trophies.

“The dream is that you could walk into what is effectively a VR gambling supermarket, where you can take part in slots, table games, sports betting and e-sports. However, I think this is still years away because Oculus Store, iTunes and Google Play will continue to bar gambling sites, and regulators will also make it difficult for real-money and social gambling to mix.”

Da er selbst die Zurückhaltung bei der Zulassung auf den großen Software-Marktplätzen anspricht, könnte der Fokus auf den Einsatz von Card-Board-Installationen zunächst liegen. Damit könnte auch die bei Spielern notwendige Voraussetzung der großflächigen Verbreitung elegant gelöst werden.

Gegenüber dem Brancheninformationsdienst Calvin Ayre macht er seine Positionen und Einschätzung zur Zukunft von VR im Gambling/Gaming nochmals deutlich.

In das gleiche Horn stößt Gerard Cunningham, Gründer von Winistry, welcher insbesondere im (Cardboard-)Einsatz von mobilen Endgeräten die größten Chancen sieht.

Soweit Fragen des Jugendschutzes betroffen sind (Regelfall bei Glücksspiel; aber hinsichtlich FSK-Einstufung auch bei normalen Spielen) gehen Experten von einer Verschärfung der Anforderungen, im Vergleich zu direkten Nicht-VR-Anwendungen, aus.

Augmented und Mixed Reality

Die Darstellung von virtuellen Inhalten im Zusammenspiel mit weiteren virtuellen Inhalten (Renderings, MUVE) ist mit der heutigen Rechnerkapazität und Tools beherrschbar und wird zunehmend effizienter.

Ein stärkeres Gefühl der Immersion entsteht, wenn man die vorhandene Realität mit integriert und diese erweitert. Bei erklärungsbedürftigen Produkten wie bspw. Autos können Hinweise zur Bedienung in das Live-Bild eingeblendet werden. Virtuelle Produkte können in die reale Welt eingebaut/eingeblendet werden und werden damit noch besser erlebbar.

Diese Form der Integration erscheint prima vista als die beste, da einerseits nur das virtuelle Produkt berechnet werden muss und die umgebende Realität eben nicht und dabei weniger Vorbehalte beim Nutzer erzeugt, da es die erwartete bzw. vertraute Realität ist.

Quasi aus der App heraus sollen Augmented Reality-Welten mit der App der französischen Firma Augment erzeugt werden. Einsatzszenerien für Coca Cola und Salesforce sind daraus schon entstanden.

Was weiterhin denkbar und möglich ist, zeigt der Film von Microsoft anlässlich des 2016 Super Bowl.

Welches Potenzial Anwendungen mit Augmented Reality haben, zeigt der unerwartete und ansatzlose Erfolg der modernen Version der Schnitzeljagd: „Pokémon Go„. Das virtuelle Monsterfangen nutzen zwischenzeitlich einige Firmen (Exxon usw.), um auf ihre Angebote aufmerksam zu machen. So werden virtuelle Köder ausgelegt, um die Spieler ins Restaurant, in den Laden oder den Online-Shop zu locken. Ob nach dem Abklingen des Hypes sich daraus ein stabiles Geschäftsmodell entwickelt, bleibt abzuwarten.

Dass Augmented Reality im Business-Umfeld wohl höhere Relevanz haben wird als Virtual Reality, zeigen die jüngsten Umsetzungsbeispiele von IKEA und Amazon.

Und der Trend scheint nicht aufzuhalten zu sein.

US Augmented Reality Users 2016-2019[wp_charts title=“US Augmented“ type=“line“ width=“90%“ align=“alignleft“ animation=“true“ margin=“5px 20px“ datasets=“30.7,40.0,48.1,54.4″ labels=“2016,2017,2018,2019″] Personen in Millionen, welche mindestens einmal mit AR im letzten Monat über ein beliebiges Endgerät in Berührung kamen. Quelle: eMarketer, Mai 2017

WebVR – Virtuelle Realität im Netz

Immersive Anzeigegeräte wie die beschriebenen Datenbrillen liefern sicherlich das beste Erlebnis für den Nutzer. Außen vor bleibt dabei aber die große Anzahl von Nutzern, welche sich die derzeit noch teuren Geräte kaufen wollen. Auch für Firmen ist der Anschaffungswiderstand deshalb noch hoch – auch, weil sie selbst noch mit den Technologie und den erfolgreichen Einsatzszenerien experimentieren müssen.

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass die derzeit größte Darstellungsfläche im eCommerce das Web auch erste zaghafte Schritte Richtung virtueller Realität geht und damit eine breit Nutzung der Technik potenziell ermöglicht.

Technischer Ansatzpunkt ist die WebGL-API, welche allen namhaften Browsern den direkten Zugriff auf die Graphikkarte des Endgerätes ermöglicht. Der Code wird zumeist über JavaScript-Bibliotheken wie three.js erzeugt. Was dann noch fehlt ist die Verbindung zu dem jeweils angeschlossen Display/Endgerät, welche wiederum über die WebVR-Schnittstelle bereitgestellt wird. Die Umsetzung im Web-Code erfolgt dann über ein angepasstes CSS. Bei diesem Zusammenspiel gibt es derzeit aber noch Stolperstellen, da sich die Konzepte der normalen Web-Entwicklung zu den 3D-Konzepten teilweise sehr unterscheiden. Kürzlich haben die Entwickler von  Google, Microsoft und Mozilla die erste Version (1.0) einer WebVR-Spezifikation auf Github bereit gestellt. Zum Ausprobieren gibt es experimentelle Chromium-Builds für Windows und Android. Der Standard ist derzeit noch eher vage und nicht voll ausentwickelt. DOM-Elemente werden bspw. noch nicht unterstützt.

Ob sich 3D und virtuelle Realität als ubiquitär einsetzbares Ausgabeformat vergleichbar dem Konzept des Responsive Designs durchsetzen wird, bleibt also abzuwarten. Wenn sich die Technologieansätze jedoch vereinbaren lassen und der Nutzerzuspruch entsprechend ist, gibt es keinen Grund, weshalb die virtuelle Realität nicht auch im Netz – und damit in der heute am häufigsten genutzten Kundenschnittstelle – Einzug halten soll.

XR – Xtended Reality

Quasi als logische Weiterentwicklung der AR kündigt sich bereits die XR – Xtende Reality – am Horizont an. Diese hat ihre Wurzeln maßgeblich in der Produktion von aufwändigen Bildmaterial für Werbefilme und CGI (Computer Generated Imagery) für Produktionen wie bspw. Game of Thrones und Jim Knopf.

Die dort gemachten Erfahrungen und Methoden bei der Gestaltung von realistischen Umgebungen und deren Zusammenfügung mit realen Gegenständen und insbesondere die Anknüpfung an Realdaten aus der Welt des Big Data/Data Thining eröffnet Einsatzfelder in Werbung, Industrieausrüstung und Shop-Gestaltung (Retail). Die Analysten von IDC prognostizieren einen Markt für XR bis 2020 mit einem Umsatz von 132 Milliarden Euro.

Die graphische Demonstration von Gütern und Dienstleistungen im Verkauf gewinnt damit weiter an Bedeutung und vielleicht sind diese ohne eine überzeugende visuelle – und vermutlich auch interaktive – Präsentation künftig nur noch schwer zu verkaufen.

Marktpotenzial

Die Einschätzung über Relevanz und insbesondere Marktpotenzial ist bei Beginn einer Entwicklung natürlich schwierig exakt zu prognostizieren. Bei Virtual Reality-Systemen kommt dann auch noch die Tatsache hinzu, dass der Technik bereits Ende der 90er-Jahre eine große Zukunft vorausgesagt wurde, welche dann wegen noch fehlenden, performanten Systemen ausblieb.

Ein Anhaltspunkt könnte die jüngere Einschätzung von Goldman Sachs geben, die davon ausgeht, das Virtual Reality den TV-Markt im 2025 überholen wird, gemessen an den jährlichen Erträgen für Hardware (um genau zu sein: VR soll 110 Mrd. US-$ Ertrag generiert, TV 99 Mrd. US-$). Die Softwareerträge sollen sich dann auf 182 Mrd. US-$ beziffern.

Dabei unterstellt Goldman Sachs eine weitere positive Entwickung bei der Technik, welche diese noch handhabarer im Alltag macht. Besondere Bedeutung wird dabei der Abschaffung von Kabeln beigemessen, so dass diese wirklich mobil werden können: am besten in Form von erweiterten (Sonnen-)Brillen. Goldman Sachs verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich dies mit den Einschätzungen von Oculus deckt. 

Praktischer Einsatz

Der Einsatz aktueller VR-Technologie eröffnet Vertrieblern und Werbetreibenden neue Möglichkeiten im Kommunikationsprozess zu ihren Kunden. Die Übertragung von Produkten und Kommunikationsbotschaften in die tatsächlichen Realitäten des Kunden, fördert potenziell die Akzeptanz der Technologie bei diesen und ermöglicht nachhaltige und beeindruckende Kommunikationsbotschaften. Da die Technik für diesen Anwendungszweck trotzdem noch sehr jung ist, sind in den nächsten Jahren erhebliche Enwicklungssprünge und weitere Anwendungsfelder zu erwarten. Die Integration von VR-Technologie muss jedoch exakt geplant werden und sollte nur in Situationen eingesetzt werden, in denen ein echter Mehrwert geschaffen wird und der Einsatz nicht umkomfortabel wird. Das Beispiel AUDI zeigt, was heute schon möglich ist und nimmt derzeit eine Vorreiterrolle in diesem Segment ein. VR-Technologie bedarf also eines sorgsam geplanten Consulting-Prozesses und eine ebenso sorgsame Einbettung in die Kommunikationspolitik.

Dieser Beitrag wurde in einer ersten Version zuerst am 2. Januar 2016 veröffentlicht.

Jenseits der erweiterten und virtuellen Realität – die Zukunft

Mit dem heutigen Grad der Digitalisierung, der möglichen technischen Ressourcen und der gesellschaftlichen Akzeptanz sind weitere Schritte über die oben genannten Anwendungen denkbar und möglich. Einen spannenden Ausblick gab dazu Kai Kunze zum 33. Chaos-Computer-Club-Kongress cc3c im Dezember 2016.

Am Ende ein Ausblick in die mögliche mittlere bis weitere Zukunft: die Präsentation der virtuellen, visuellen Inhalte mittels Smartphone, Brillen oder anderen Geräten, welche in das Blickfeld des Nutzers gebracht werden ist immer nur ein Kompromiss. Entweder ist die Auflösung nicht optimal, die Dinge erfordern für sich zur Aufmerksamkeit (müssen bpsw. separat in der Hand gehalten werden) oder verändern das Erscheinungsbild des Trägers hin zu einem auffälligen und deshalb nicht gewünschten.

Deshalb liegt es nahe, das virtuelle Bild direkt vor das Auge über eine Kontaktlinse zu bringen. Wenn dies gelingt, können die Computerbilder entweder ganz das Blickfeld bestimmen oder die erlebte Umwelt anreichern. Die aus dem Medizinbereich kommende Firma epglmed hat dieses Konzept bereits öffentlich gemacht.

Die für die Darstellung notwendige Energie kann entweder über Energy Harvesting (z.B. durch Blinzeln) oder über angepasste Bioreaktoren auf dem Chip selbst erzeugt werden.

Quellen und weiterführende Informationen

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