Die bekannten Formen des Glücksspiels erfahren in der jüngsten Zeit eine interessante, internationale Erweiterung: Wetten gegen Entgelt auf Ereignisse des Fantasy Sport bzw. Daily Fantasy Sports (DFS). Link
pay-to-play fantasy sports contests with cash payouts (Kurt Wagner)
Um das Phänomen zu begreifen, muss zunächst einmal die für Deutschland noch etwas ungewohnte und neue Form des Sports definiert und abgegrenzt werden. Fantasy Sports sind Wettbewerbe von natürlichen Personen, welche mit virtuellen Spielern um Erfolge in fiktionalen, aber an reale Welten angelehnte, Spielwelten sich bewerben. Ein prominentes Beispiel ist Fantasy NFL Football. Yahoo platziert zwischenzeitlich Fantasy Sports und die darin befindlichen Ligen sehr prominent auf deren Sportseite und spinnt eine komplette Berichterstattung um die virtuellen Ereignisse.
Erfolgreich ist bei Fantasy Sports der Spieler, welcher es versteht, die statistischen Stärken und Schwächen seiner Spielfiguren/Mannschaften richtig einzuschätzen und für den anstehenden Wettbewerb zu konfigurieren. Die Erfolge werden zumeist quantitativ in Tabellen bewertet und dargestellt aus denen sich die Rangfolge ableiten lässt. Streng abzugrenzen sind davon die reinen Simulationsspiele, bei denen ausschließlich Algorithmen quantitative Ergebnisse erzielen. Häufig werden Teamwettbewerbe wie Fussball als Grundlage der Fiktion herangezogen.
Marktentwicklung
Im Mai 2015 schätzte das australische Marktforschungsinstitut IBISWorld den Markt auf 2 Mrd. Dollar, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 10,7 % und 4.386 people Beschäftigten. Die Fantasy Sports Trade Association schätzte im selben Jahr, dass 56,8 million Personen über 12 Jahre in den USA und Kanada Fantasy Sports gespielt haben. Link Bloomberg geht von 3,7 Mrd. US-Doller in 2015 aus. Eilers Research LLC schätzt, dass sich der Markt bis 2020 auf 17,7 Mrd. US-Dollar vervielfachen wird. Link. Das amerikanisch-kanadische Marktforschungsunternehmen Legér eruierte in einer kürzlich durchgeführten Online-Umfrage, dass 15 % der Amerikaner bereits schon einmal DFS gespielt haben. Weiter bemerkenswert an diesen Ergebnissen ist, die Erkenntnis, dass DFS offenbar erheblichen Kannibalisierungseffekt gegenüber den Staatslotterien aufweist: 61 % gaben an, dass sie weniger in diese Spiele zugunsten von DFS investiert hätten. Dabei seien, je nach Anbieter, zwischen $ 37 und $ 39 pro Spieler und DFS-Spiel ausgegeben worden.
Einschätzung des Glücksspielcharakters von Fantasy Sports
Die relevante Glücksspiel-Gesetzgebung in den USA (Unlawful Internet Gambling Enforcement Act of 2006 – UIGEA) nimmt die Fantasy-Sport-Wettbewerbe explizit aus deren Regelungsbereich aus und überlässt diese den einzelnen Bundesstaaten, so dass es wenig überraschend zu einer Vielzahl von Regelungen und Auseinandersetzungen kommt, denn die Glücksspielindustrie hat das Marktpotenzial durchaus erkannt. Jüngst hat der Generalstaatsanwalt des Staates Nevada in einem Plädoyer Branchenäußerungen, welche gezielt auf den Glücksspielcharakter hinweisen, zur Untermauerung seiner restriktiven Argumentation zur Einordnung von Fantasy Sports als Glücksspiel verwendet. Die US-amerikanischen Bundesstaaten Arizona, Iowa, Louisiana, Montana, Nevada und Washington nehmen derzeit eine restriktive Haltung gegenüber DFS ein. Im November 2015 wurde einer der großen Marktteilnehmer, FanDuel, zu einem Hearing im Bundesstatt New York vorgeladen. Da erste, abwehrende Rechtsschritte erfolglos waren, unterband die Firma baw Einzahlungen auf die Kundenkonten.
Nachdem der Betrieb in New York in der vorherigen Instanz im Dezember 2015 untersagt wurde, ist dieser zwischenzeitlich wieder erlaubt. Diese Entscheidung traf die Berufungsinstanz, welche von von einem Panel unterstützt wurde. Die Entscheidung erfolgte nachdem der New Yorker Staatsanwalt, Eric Schneiderman, seine Antrag ausgeweitet hatte und nun nicht nur die Rückgabe der Profite aus fordert, sondern auch die Verluste der Spieler sowie zusätzlich 5.000 USD Strafe pro Kunde. Allein die Rückgabe der Einsätze würde sich auf eine Summe von 200 Millionen USD beziffern.
Im Januar 2016 hat sich nun auch der texanische Generalstaatsanwalt, Ken Paxton, der Auffassung angeschlossen, dass Daily Fantasy Sports illegales Glücksspiel wären. Interessanterweise führt er weiter aus, dass traditionelles, saisonbezogenes Fantasy Game nicht illegal wäre. Ob es zu einem Verbot in Texas kommt, ist allerdings noch offen. Der Marktführer DraftKings gibt sich jedoch störrisch und eine Fortführung des Betriebes in Texas angekündigt. Zu ergänzen ist noch, dass in Texas bereits die teilweise Zufallsabhängigkeit des Ergebnis ausreicht, um von einem Glücksspiel auszugehen.
Zwischenzeitlich hat auch der Zahlungsverkehrsdienstleister der großen DFS-Anbieter die Regeln verschärft und hat seinen Kunden mitgeteilt, dass ab 29. Februar 2016 keine Zahlungen mehr weitergeleitet werden. Die Reaktion der Branche ist das Engagement von Lobbyisten, welche sicherstellen sollen, dass in 16 US-Bundesstaaten eine DFS-freundliche Regulierung geschaffen wird.
Erfolg hatte zwischenzeitlich die Regulierungsbehörde des Staates New York, indem sie die beiden großen Anbieter das Zugeständnis abrang, bis zur rechtlichen Klärung deren Geschäftsbetrieb in diesem US-Bundesstaat einzustellen.
Skalierbarkeit
Abgeleitet von realen Sportwettbewerben kann für jede Sportart eine oder mehrere Fantasy-Sport-Ligen gebildet werden. Auch die Fragen der Urheberschaft an den Sportergebnisse kann damit ggfs. elegant umschifft werden. Weiterhin erlaubt die Abbildung der fiktionalen Wettbewerbe im Internet eine schnelle Skalierung in nationale Märkte bei minimalen Grenzkosten (dieser Mechanik bedienen sich i.d.R. zumeist Startups aus der Internet-Szene). Im Ergebnis können also zahlreiche Wettbewerbe auf vielen Märkten schnell ausgerollt und etabliert werden.
Manipulationsgefahr
Generell ist die Integrität und Manipulationsfreiheit von Wettbewerben so alt und so gefährdet seit es diese gibt. Auch in jüngster Zeit muss der interessierte Wetter sich mit Korruption, Bestechung, Spielmanipulation und Missbrauch auseinandersetzen. Somit ist dies auch regelmäßiger Bestandteil der präventiven Arbeit von nationalen, inter- und supranationalen Sportverbänden und Suchtorganisationen. Bei Fantasy Sports gibt es diese Aufteilung zwischen Veranstalter des Wettbewerbs und Veranstalter der Wetten darauf in der Regel nicht! Das bedeutet eine inhärente Gefahr des Anreizes zu Manipulationen, da der Ausgang von Ereignissen im Zweifel nicht mit den Veranstalterinteressen (welche die Gegenwette halten) korrespondiert. Um die Integrität sicherzustellen sind deshalb mindestens die gleichen Sicherheitseinrichtungen wie bei den Veranstaltern von realen Ereignissen zu treffen bzw. im Grunde genommen zu erhöhen, da die elektronische Abwicklung noch zusätzliche Herausforderungen birgt.
Dynamik
Wetten auf reale Ereignisse sind naturgemäß in ihrer Ereignisfrequenz (und damit, zumindest nach herrschender Meinung der Glücksspielaufsicht, auch ausschlaggebend für deren Gefährlichkeit) abhängig von dem Spielplan dieser Ereignisse. Für Fussballereignisse ist dies national in Deutschland zumeist der Spieltag am Wochenende, in anderen Ländern aber durchaus auch häufiger, weil sich der Spieltag auf die ganze Woche verteilen kann. Die Ereignisfrequenz von Fantasy Sport-Ereignisse ist wie deren Häufigkeit beliebig steuerbar. So sind Wettbewerbe täglich, stündliche etc. denkbar. Daily Fantasy Sports (DFS) haben somit konsequenterweise schon Eingang in die virtuellen Spielwelten gefunden, da ein häufig stattfindender Wettbewerb zumeist attraktiver für die Kunden und die Veranstalter ist.
Verhältnis Sportwetten und Daily Fantasy Sports
Auf den ersten Blick wird der Unterschied nicht ganz klar. Bei näherem Hinsehen kristallisiert sich heraus, dass die klassischen Sportwetten (unabhängig ob es sich um Live-Wetten oder Ergebniswetten handelt) auf das reale Sportereignis an sich abzielen, also zumeist wie die Mannschaft sich in den jeweiligen Wettbewerben schlägt. Daily Fantasy Sports zielen auf die Performanz der einzelnen Spieler ab, also wie viele Strikes, Tore etc. er produziert hat.
Eine medial aufbereitete Diskussion über diesen Unterschied und den illegalen Sportwettaktivitäten hat jüngst Bloomberg publiziert.
Fantasy Sports in Europa
Der Einstieg von DraftKing in den europäischen Markt – genauer in den britischen Markt – ist nach zweimaliger Verschiebung nun für Februar 2016 vorgesehen.
Fantasy Sports in Deutschland
Das Phänomen ist, wie gesagt, in Deutschland noch relativ jung und unbekannt. Ansätze sieht man in diversen Fussball-Managern, welche aber noch keine Gewinne auf richtige Vorhersagen in Aussicht stellen bzw. noch kein Einsatz auf Vorhersagen (Wetten) erheben. Die aktuelle Glücksspiel-Marktverfassung in Form des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) trifft für Wetten folgende grundsätzliche Aussage, welche eine erste rechtliche Einschätzung ermöglichen:
§ 3
Begriffsbestimmungen
(1) Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind Glücksspiele. Sportwetten sind Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen. (sic.)Pferdewetten sind Wetten aus Anlass öffentlicher Pferderennen und anderer öffentlicher Leistungsprüfungen für Pferde.
und
§ 4
Allgemeine Bestimmungen
(1) Öffentliche Glücksspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.
Weiter unten im Glücksspielstaatsvertrag wird dann eine Teilliberalisierung (§§ 10a, 21) für Sportwetten vorgenommen, welche jüngst von VGH Kassel nachhaltig hinterfragt wurde und einen Ansatzpunkt für eine praktikable Abbildung von Fantasy Sports als Glücksspiel denkbar macht. Dazu muss zunächst noch die Frage geklärt werden, ob Fantasy Sports vom Regelungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages erfasst werden und ob sie dann in die Kategorie der Sportwetten – mit den dann gesetzlichen oder richterrechtlichen Erleichterungen – fallen? Die erste Einschätzung kann prima vista anhand der Kriterien des § 3 GlüStV vorgenommen werden:
- Gewinnchance? Soweit für die richtige Vorhersage und das Erreichen von Punktständen Geld oder geldähnliche Vorteile (bspw. Punkte mit Tauschmöglichkeit in Geld) erzielt werden können, könnte man auch bei Fantasy Sports von einer Gewinnchance sprechen.
- Entgelt? Geld oder vergleichbare Einsätze weisen zumeist auf das positive Vorhandensein des Kriteriums hin. Initiale Teilnahme- und Aufnahmegebühren für die reine Teilhabe dürften vermutlich nicht darunter zu verstehen sein.
- Entscheidung über Gewinn zufallsabhängig? Die Problematik der Zufallsabhängigkeit der Vorhersage von Sportereignissen bzw. anderen Ereignisse welche mit Expertenwissen eingeschätzt werden, wurde in der juristischen Fachwelt seit jeher kontrovers diskutiert. Deshalb muss für jeden Einzelfall bestimmt werden, ob zufällige Ereignisse die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend festlegen oder nicht. Soweit im Falle von Fantasy Sport-Wettbewerben die Entscheidung über den jeweiligen Erfolg bspw. von der Spielstärke (berechnet aus den statistischen Spielstärken der jeweiligen Mannschaft/Athleten) abhängt, kann das Zufallselement evtl. ausgeschlossen bzw. als nachrangig beurteilt werden.
Zu beachten bei dieser freibleibenden, ersten Einschätzung ist zudem, dass einige Kriterien kumulativ vorliegen müssen. Falls Fantasy Sports keine Glücksspiele sind, wäre allenfalls noch eine Regulierung als Gewinnspiel im Medienbereich unter dem Regime des Rundfunkstaatsvertrages denkbar oder eben die Erkenntnis, dass keine Regulierung für diese erforderlich wäre, wenn es an der Erfüllung der Kriterien fehlt.
Die Einschätzung der Gefährlichkeit hinsichtlich der Verhaltenssucht „Spielsucht“ ist nach bisheriger Erkenntnis in Deutschland noch völlig offen. Jedoch liegt die Ausgestaltung und die Konfiguration einzelner Angebote und die methodische wie thematische Nähe zu den klassischen Sportwetten sowie die hohe Ereignisfrequenz eine Relevanz in diesem Bereich nahe. Die Kriterien der WHO (ICD-10) könnten hier auch als Bewertungsmaßstab herangezogen werden.
Im März 2017 hat DraftKings angekündigt, mit einem Beta-Test-Angebot in den deutschen Markt mit maltesischer Lizenz zu starten. Dies geschehe im Rahmen einer europaweiten Expansionsstragie.
Deutsche Spieler hätten Zugriff auf alle 10 Sportarten, welche DraftKing anbietet. Dabei handelt es sich allerdings um die amerikanischen Spiele. Eine Abbildung deutscher Spielarten steht noch aus.
Bundesliga Fantasy Manager
Das eine Etablierung in Deutschland zwischenzeitlich nicht nur eine theoretische Möglichkeit sein könnte, kann man bspw. an dem prominenten Beispiel des offiziellen Fußball-Bundesliga Fantasy Managers festmachen. Dieser ist zwar kostenfrei, weist aber schon bis auf den Einsatz alle notwendigen Merkmale für eine künftige Monetarisierung: Bezug zu attraktiven realen Sport, Registrierung, Community, Vergleich der Ergebnisse etc. Auch das vom selben Verband, gemeinsam mit EA Sports, Angebot der virtuellen Bundesliga geht in diese Richtung.
Welches dieser Angebote dann tatsächlich seinen Charakter zum Glücksspiel wandelt bleibt natürlich abzuwarten. Grundlagen und der Aufbau einer Kundenbasis sind allerdings bereits angelegt.
Zusammenfassung
Fantasy Sports-Wettbewerbe erfreuen sich in den angloamerikanischen Ländern zunehmender Beliebtheit. In Deutschland wächst die derzeit noch Insidern vorbehaltene Szene heran und es kommt vermutlich einer sicheren Wette gleich, wenn man auch für Deutschland eine wachsende Bedeutung vorhersagt. Soweit diese Spiele einen Glücksspielcharakter, insbesondere durch die Erhebung von Entgelt annehmen, muss sich die etablierte Branche aus betriebswirtschaftlicher Sicht und die Regulierungsbehörden aus glücksspielrechtlicher und verbraucherschutzrechtlicher Sicht dem Phänomen annehmen und eine Antwort bzw. Marktverfassung liefern.
19.10.2015