Conversational Commerce – Vertrieb über Messenger

Das Web 2.0 hat die Welt von statischen, von großen Organisationen und wenigen Bearbeitern dominierten Inhalten erlöst und eine Vielzahl von neuen Diensten und Angeboten geschaffen, bei denen die Nutzer nicht nur konsumieren, sondern als Prosument und Teilhabende auftreten. Der Hype der vergangenen Jahre um die Sharing-Economy und Social Media war die letzte signifikante Phase.

Im Windschatten dieser Entwicklung tritt nun nach und nach immer deutlicher die eine neue, aber auch sehr alte Kommunikationsform hervor: die Messenger.

In der Fachwelt und Presse hat sich darüber hinaus auch der Terminus Conversational Commerce etabliert, welcher die interaktive Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden über Bots, Messenger etc. umfasst.

Die Idee ist schon sehr alt und lässt sich – zumindest war die elektronische Übertragung betrifft – auf die Tage des Telegraphen und des Telex zurückführen. Eine asynchrone Übertragung von meist textuell geprägten Nachrichten an bestimmbare Empfänger (meist nur ein Empfänger). Das dieses Prinzip offenbar ein großes Bedürfnis der Mensch ist, zeigte sich in den 1990er Jahren, als der für technische Wartungszwecke gedachte SMS-Dienst die Mobilfunkkunden begeisterte – und es eigentlich bis heute tut. Millionen von SMS werden täglich versendet. Monty Munford hat dazu einen schönen Beitrag von den Anfängen des Chats mit Talkomatic und seiner Entwicklung bis heute verfasst.

Nach dem Aussterben vieler Pioniere wie MSN Messenger und AOL IM zwischen 2010 und 2014 hat der Markt aber zwischenzeitlich würdige Nachfolger gefunden. Messenger wie Whatsapp, Facebook Messenger, Threema, SnapchatSignal, BBM, ICQ Messenger, Tango, Yahoo Messenger, SIMSme, Wire, Viber, Line, Google+ Hangouts, iMessageChatSecure, WeChat, Skype, Telegram usw. basieren einerseits auf dem oben beschriebenen Grundprinzip der asynchronen Kommunikation und nehmen sich technologisch das Vorbild am ICQ-Dienst, welcher zuerst die Instant-Messaging-Idee auf dem PC populär machte, setzen aber konsequent auf das Smartphone als Hauptkommunikationsgerät. Mittlerweile hat die Anzahl der Nutzer von Messenger-Diensten die Nutzerzahlen von Sozialen Netzwerken übertroffen. Und sie erweitern kontinuierlich ihren Zugriff auf das tägliche Leben ihrer Nutzer mit eigenen Ökosystemen, Entwicklern, Tochter-Apps und APIs.

Die Telekommunikationsfirmen haben sich jahrelang auf den ungeplanten Erfolg von SMS ausgeruht und das Messenger-Geschäft den neuen Firmen überlassen. Versuche, auf diesen Zug noch aufzuspringen gab es bspw. in Deutschland mit Joyn. Dieser Dienst floppte offenbar, das „window of opportunity“ war offenbar schon geschlossen. Trotzdem versuchen es die Telcos – nun mit Unterstützung von Google – erneut und setzen auf das SMS-Nachfolgeprotokoll RCS (Rich Communications Services). Dies Protokoll ist plattformübergreifend und ermöglicht ähnliche Services wie Messaging-Dienste. Dazu wurde von der Telekom anlässlich des Mobile World Congress der Dienst immer vorgestellt. Mit diesem könne man die eigene Mobilfunknummer auf jedem Gerät nutzen, sie ist dann nicht an die Karte gebunden. Weitere Details liegen noch nicht vor.

Kernfunktionalität dieser Dienste ist die jeweils gegenseitige Übertragung von Text-Nachrichten nach dem Prinzip Nachricht => Antwort => Antwort usw. Viele Anbieter erweitern ihren Dienst zudem um die Übertragung von Dateien, Bildern, Videos, gespeicherten Sprachnachrichten, Sprachanrufen, Standortinformationen etc. und ersetzen somit die Angebote von tradierten Diensten kontinuierlich. In jüngerer Vergangenheit ist das Thema Verschlüsselung der übertragenen Daten zudem virulent bei der Nutzerschaft von Instant Messengern geworden, was u.a. durch die Enthüllungen von Snowden hervorgerufen wurde. Der Gold-Standard ist hier die so genannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, also Absicherung über den gesamten Übertragsweg.

Die Smartphone-Nutzer verlagern aus diesen Gründen zunehmend ihre Kommunikation auf diese Dienste. Dies erfolgt vor allem deshalb, weil eben die Kommunikationspartner selektiv gewählt werden können und die transportierbaren Inhalte die selben sind, welche bislang in die klassischen Social Media eingestellt wurden, also Text, Bilder etc. Ein kleines, unberücksichtigtes Detail dabei ist, dass durch die wachsenden Gerätebildschirmdiagonalen und intelligente Eingabehilfen (angefangen haben diese mit der T9-Technologie, fortgeführt mit dynamischen Inhalten befüllbaren Touch-Screens bis hin zu Apps wie Swype, welche die Texteingabe enorm erleichtern) die Geschwindigkeit der Eingabe deutlich beschleunigen und damit kompatibel zu dem menschenlichen Kommunikationszyklus Informationsaufnahme-Rezeption-Antwortformulierung-Kontrolle werden. Die Kommunikation ist ja asynchron und zwingt somit auch nicht zur unmittelbaren, fehlerbehafteten Reaktion wie bei sprachbasierter Kommunikation.

Die über Messenger mögliche Kommunikation ist weniger allgemein, öffentlicher und überprüfbar, sondern zielgerichteter, vertrauter und geheim. Dies spricht natürlich insbesondere jüngere Mobilfunkkunden an. Dies bedeutet nicht, dass deswegen Social Media-Präsenzen aufgegeben werden oder vernachlässig werden. Sie werden häufig parallel und nicht-kannibalistisch weiter betrieben. Aber der Trend zu relevanter Kommunikation ist unleugbar Richtung asynchroner Messenger-Dienste. Unterstützt wird die allgemeine Verwendung natürlich auch durch Grenz-Kommunikationskosten von nahe Null, da die Messenger zumeist kostenfrei sind und das Transaktionsvolumen nicht besonders viel Datenvolumen benötigt.

Die verwendete Sprache ist ein wahrer Schatz für Linguisten. Sie zeichnet sich durch eine hohe Effizienz, Variantenreichtum und Kreativität aus. Sie ist nicht notwendigerweise eine Jugendsprache, aber bedingt durch das Medium und seiner Verbreitungsgeschwindigkeit entwickelt sie sich rasant und stellt tradierte Wissenschaftler vor beträchtliche Forschungsaufgaben.

Nun, Instant-Messaging-Dienste sind also sehr beliebt und weiter auf dem Vormarsch. Damit geraten sie naturgemäß in den Fokus von Firmen und Institutionen, welche auf die Verbreitung ihrer Kommunikationsbotschaften angewiesen sind. Allerdings versagen hier die bislang bewährten Methodiken aus Werbung und Social Media-Kommunikation, weil die Messenger eben auf die selektive, von den Nutzern selbstbestimmte Kommunikation ausgelegt sind und quasi eine Mauer aufziehen, um sich abzuschotten. Kommunikationstreibende (Werber, PR-Leute, Newsletter-Schreiber usw.) müssen um Einlass in diese exklusiven Zirkel betteln und erhalten ihn natürlich zumeist nicht, weil sie keinen Mehrwert bieten können. Der Konsument möchte eben nicht, dass er mit unaufgeforderten Kaufbotschaften konfrontiert wird, sondern er möchte für ihn relevante Kommunikation mit für ihn relevanten Leuten erleben.

Aber nicht nur die gut bekannten Messenger-Apps bieten Messaging-Dienste an. Spiele wie Quizduell, die Apps von Palringo eröffnen ihren Nutzern einen Chat-Kanal (in-chat games), in dem diese sich austauschen können und das Erleben dieses Spieles fördern. Teilweise werden diese auch zur Kontaktanbahnung im zwischenmenschlichen Bereich genutzt. Eindeutig ist an dieser Entwicklung auch ein Trend zur Gamification von Instant Messaging-Diensten abzulesen. Etwas länger bieten E-Commerce-Betreiber auf ihren Angeboten Möglichkeiten des CoBrowsings und des Text-Chats an. Diese sind aber nur session-bezogen und kommen teilweise wie lästige Verkäufer daher. Eine Spezialform bzw. Weiterentwicklung davon ist die Nutzung von Video-Konferenztechnologie zur Identifikation von Personen im Rahmen der Alters- und Identifikationsprüfung, zumeist bei Banken und Versicherungen.

In ihrer ersten Marktphase ging und geht es den Anbietern um schieres Wachstum und die Bindung von Usern, um die positiven Netzwerkeffekte gem. dem Metcalfschen Gesetz. Die positiven und wichtigen Effekte wurden in diesem Angebot bereits in dem Beitrag „#digitalisierung und #iot – Wo bleibt die Vernetzung?“ besprochen. In der zweiten Phase versuchen die Anbieter die Monetarisierung ihrer Dienste zu erreichen, indem sie entweder aktiv zur Marktbereinigung beitragen oder bei Dritten unterschlüpfen. Parallel zu dieser Phase läuft der weitere Ausbau der Dienste, um Kunden zu binden.

Welche Botschaften und Informationen können über Messenger im Rahmen eines B2C-Kontextes übertragen werden?

Nun, zunächst einmal alle Informationen, welche sich in Textform ausdrücken lassen.

  • Allgemeine Informationen
  • Produktname
  • Menge
  • Preis
  • Produktmerkmale
  • Bilder und Bewegtbilder
  • Kundenname
  • Identifizierung (Login)
  • Authentifizierung (Passwort) und Authentifizierungs-Codes
  • Gutscheincodes

Semantisch und linguistisch muss die Kommunikation aber streng auf den Empfänger und der für diesen Kanal üblichen Netiquette abgestellt werden, weil sonst die Akzeptanz rapide schwindet. Je nach Messenger können aber auch Bilder, Video, Videostreams, Töne etc. übertragen werden.

Ob sich in jedem Fall die Weitergabe von kritischen Daten empfiehlt, muss anhand des konkreten Einsatzzweckes geprüft werden. Zwar ist die Kommunikation über Messenger i.d.R. Unternehmen zu Kunde und meist auch verschlüsselt, gewährt also eine gewisse Datensicherheit. Aber soweit kritische Authentifizierungserfordernisse vorliegen, gilt es abzuwägen, da das Unternehmen im Zweifel nicht ausschließen kann, dass jemand Drittes Zugang zu dem Endgerät besitzt.

Business Strategy für den vertrieblichen Einsatz von Messenger

Grundvoraussetzung für den Einsatz als Vertriebs- und Marketing-Tool von Instant Messaging-Anwendung ist die Akzeptanz bei der potenziellen Zielgruppe bzw. den Kunden. Die User-Basis der vier größten Messaging-Apps ist größer als die der ersten vier sozialen Netzwerke.

Attraktiv werden Messenger für Marketeers durch:

  • die große User-Zahl,
  • deren intensive Nutzungsrate,
  • die Demographie der Nutzer,
  • ihre „stickieness“, also den (intensiven) Grad der Nutzung und der Wiedernutzunghäufigkeit und
  • ihre ubiquitäre Verfügbarkeit auf vielen Endgeräten, insbesondere mobilen Endgeräten.

Angesichts dieser erfreulichen Rahmenbedingungen verwundert es ein wenig, dass Werbetreibende und Medienfirmen sich offenbar nach wie vor schwerpunktmäßig mit Sozialen Netzwerken auseinandersetzen. Möglicherweise liegt dies daran, dass dort die Inhalte linearer und selbst-bestimmbarer sind, währenddessen Messenger-Dienste zunächst exklusiv sich auf den Sender und Empfänger konzentrieren (vgl. oben).

Die Gefahr für die Werbewirtschaft durch diese exklusive Kommunikation blieb jedoch nicht ganz unerkannt. Rieb man sich noch verwundert die Augen, warum Facebook 21,8 Milliarden US-Dollar für Whatsapp ausgegeben hat, zeigt sich nun, dass dies vielleicht doch kein schlechtes Geschäft war. Denn Facebook hat, früher als andere, erkannt, dass der Kommunikationszug Richtung Messenger läuft und der Zugriff auf die Nutzerdaten das nächste große Ding sein werden. Oder anders formuliert, Facebook hat die Gefahr der latent zunehmenden Irrelevanz seines Angebotes erkannt und es sinnvoll um privat-kommunikationsstrukturierte Dienste ergänzt. Twitter hat dies nicht.

Neben den interessanten quantitativen Aspekten der Nutzung von Messenger sind bei der Überlegung diese in die Marktkommunikation mit einzubeziehen auch die qualitativen Fragen der jeweiligen, spezifischen Nutzungsverhaltens von Bedeutung, welche diese interessant für Verlage, Firmen, Werbetreibende und Marken machen. Ggfs. gibt es auch regionale oder kulturelle Unterschiede bei den Nutzungsgewohnheiten und spezifische Vorteile und Rahmenbedingungen der technischen Plattformen (Messenger-Features, Endgeräte-Features) zu beachten.

Diese Key Insights sollten bei der Überlegung der vertrieblichen, werblichen Nutzung von Messenger eruiert, analysiert und strategisch umgeformt werden, um einen erfolgreichen Einstieg in diesen hochinteressanten Kommunikationskanal zum Kunden zu ermöglichen, welcher durch das Kommunikationsbedürfnis von Konsumenten untereinander entstand.

Business Cases für den Messenger-Einsatz

Die Transformation der Konsument-zu-Konsument-Kommunikation hin zu einer B2C-Kommunikation ist also die Aufgabenstellung. Der Chef von WhatsApp, Jan Koum, favorisiert das Beispiel der Tischbestellung in einem Restaurant für diese Herausforderung. Anstatt dort anzurufen oder seine Zeit auf dessen Website zu verbringen, soll man einfach eine Nachricht absetzen, welche dann mit einem OK oder der Auswahl von Buchungsoptionen beantwortet wird. Die Use Cases sind natürlich vielfältig: die SZ setzt Snippets über die Nachrichtenlage ab, um für deren Angebot zu interessieren. Fluglinien informieren über Status des Check-Ins und des Fluges, Taxis und Uber-Taxis können gebucht werden, Versandnachrichten von Paketdienstleistern fließen ebenfalls in den großen Trichter der Messenger.

Introducing Transportation on Messenger from Facebook on Vimeo.

Sicher ist die Entscheidung für das Angebot für viele Firmen eine Wahl zwischen Scila und Charybdis, da sie mit der Einspeisung in die Messenger—Dienste Dritter nicht nur diese weiter groß und unverzichtbarer machen, sondern weil sie ihre eigenen Anstrengungen beim Aufbau von Online-Diensten kannibalisieren und marginalisieren. Eine angepasste, ausgewogene Omni-Channel-Strategie sollte hier einer Vereinnahmung entgegengesetzt werden.

Konsequent ist es dann auch, den Zahlungsverkehr diesen Diensten zu überlassen, wie bspw. dem Facebook Messenger oder künftig Apples iMessage. Der mancherorts ersehnte Paypal-Killer ist vermutlich kein weiterer Bezahldienst, sondern ein Messenger (z.B. der Dienst LinePay).

Dass Messenger aber der universelle App-Killer oder Internet-Ersatz werden, ist jedoch auch nicht zu befürchten. Gleichwohl absehbar ist, dass zunehmend Geschäftstransaktionen auf diese Software-Gattung verlagert werden, ist deren funktionale Beschränkung und das Dialog-Prinzip nicht in jedem Falle das, was der Konsument sucht und wünscht. Vertiefende Informationen, Hintergründe und Zusammenhänge können im Instant Messaging nicht dargestellt werden. Verknüpfte Informationen wie bspw. der Standort des nächsten Taxis sind derzeit nicht in allen Messengern möglich. So erscheint zumindest eine Art von Koexistenz oder Coeptition klassicher Apps und der Messenger der zunächst wahrscheinlichere Ausgang dieses Transformationsprozesses.

Die Stoßrichtung ist somit klar: Messenger wollen ein Hub im Kommunikationsportfolio von Verbrauchern und Firmen werden. Firmen wollen eine kostengünstige, weit verbreitete und einfach in das Omni-Channel-Setup integrierbare Kommunikations- und Transaktionsplattform, ohne sich übermäßig abhängig davon zu machen.

Die Wahl des „richtigen“ Messengers durch den Marketeer ist für Erfolg entscheidend. Wird ein Messenger-Ökosystem gewählt, was vielleicht schöne APIs hat oder sogar Kickbacks bei dessen Nutzung verspricht, welches aber geringe oder nicht nachhaltige Resonanz in der relevanten Zielgruppe hat, bleibt der Erfolg vermutlich aus. Die an sich begrüßenswerte Vielfalt der Messenger krankt gleichzeitig an deren fehlenden Standards und Inkompatibilitäten. Zwar bauen viele auf dem Open-Source-Protokoll WebRTC auf, nutzen einen Peer-to-Peer-Ansatz und tauschen Schlüssel nach Diffie-Hellman aus, jedoch bedeutet das noch lange nicht, dass sie miteinander sprechen können. Die großen, relevanten Dienste sind alles einsame Inseln, welche nur mit ihresgleichen kommunizieren können. Wie schon bei der Websuche und den Sozialen Netzwerken geht es den Anbietern darum, eine möglichst attraktive Plattform vorzuhalten und insbesondere diese zu kontrollieren. Dieses „Herausbeißen“ des Wettbewerbs ist man schon von den Sozialen Medien und anderen Software-Umgebungen gewöhnt. So nachvollziehbar dieses Verhalten aus Sicht des Anbieters ist, so lästig und verzichtbar ist es für den privaten und geschäftlichen Konsumenten.

Lässt ein Kommunikationsverantwortlicher sich auf diesen Kommunikationskanal ein, so kann man sogar ein neues Geschäftsmodell allein darauf gründen. Nach GoButler mit einem Concierge-Service vorangeschritten ist, überlegen Google (Hangouts) und Facebook (Project M) ebenfalls das Angebot von ähnlichen Diensten. Google möchte sogar eine Plattform zur Integration von Drittdiensten und seiner Suche bereitstellen. Facebook hat ausgewählten Partnern über eine Schnittstelle schon Zugriff auf seinen Messenger verschafft, über die diese Blumen oder Pizza bestellen können. Die Bild-Zeitung betreibt darüber einen Newsticker. Die spanische App Glovo (jüngst Teilnehmer des Mobile Premier Awards in Barcelona) nutzt zwar nicht eine bekannte Messenger-App, die Wünsche an den Concierge gehen per App an Kuriere zu Erledigung. Quasi eine thematische Fusion zwischen Messenger und Uber. Die Wünsche der Nutzer werden in diesem Geschäftsmodell über den Messenger also an ein Customer Contact Center übermittelt, geprüft und beantwortet. Zumeist erfolgt vor Ausführung eine Rückfrage, wofür der Messenger ja prädestiniert ist. Textnachrichten ersetzen somit den klassischen Weg der Bestellannahme und der reaktiven Website.

Welchen strategischen Wert das Messenger-Geschäft für Facebook hat, wurde anlässlich der f8-Facebook-Entwicklerkonferenz in 2015 deutlich, in der Herr Zuckerberg u.a. eine Messenger-Entwicklungsplattform vorstellte.

Video ab 13:30 Min.

Die Ausgestaltung von diesen Customer Contact Center kann traditionell durch menschliche Agenten vorgenommen werden oder sie werden teilweise (auch gestuft) oder ganz durch die ebenfalls schon lange verfügbare Chat-Bot-Technik ersetzt. Der Autor selbst hat Ende der 90er Jahre bei einer Direktbank solche Bots realisiert und belastbare User-Szenarien mit der damaligen Technik bewerkstelligen können. Die heutige Technik erlaubt durch Nutzung von BI, KI und Machine-Learning-Ansätze – gepaart mit performanter Rechenkapazität – Dialoge mit guten Ergebnissen im Turing-Test. Wer möchte kann die API von IBMs Watson für diese Zwecke einfach einbinden und tranieren.

Großes Vorbild der Messenger-Branche bei der effizienten, automatisierten Monetarisierung im Business-Umfeld ist der chinesische Anbieter WeChat. Taxi- oder Pizza-Bestellung über WeChat ist kein Problem und wird von den Firmen auf der Plattform offeriert und von Bots bearbeitet. Den Start hat sicher die monopolartige Situation in China leichter gemacht. In entwickelten Märkten, besteht das oben genannte Problem für Nutzer und Anbieter die richtige Plattform zu wählen und somit auch die Investitionen zu splitten.

Wie einfach zwischenzeitlich die Erstellung eigener Bots geworden ist, kann man gut am Beispiel des B2B-Team-Kommunikationstools Slack nachvollziehen. Die ganze Kommunikation ist dort über Chat-Kanäle gruppiert. Zur Beantwortung von einfachen Fragestellungen oder auch komplexen IFTTT Prozessen können dort schnell Bots selbst programmiert werden, welche Routineaufgaben erledigen.

Dass ein Verlassen auf Chat Bots nicht immer problemfrei ist, zeigte der Vorgang um die Dating-Plattform Lovoo, bei der weibliche Besucher durch „männliche“ Chat-Bots angedatet wurden. Wer daran nichts Schlimmes findet, kann sich bspw. als Tinder-Nutzer der Dienste des Casanova-Bots „A.I. Pickup Artist Robot“ versichern, welcher die schwierige Anbahnungsphase übernimmt.

Das Marketing und Vertrieb über Messenger-Bots der „nächste große Ding“ ist, war sich auch die Direktmarketing-Branche auf der dmexco einig.

Was gibt es bei der Umsetzung zu beachten?

Situationen wie bei GoButler, bei denen der Messenger-Kanal das ganze Geschäftsmodell abbildet, werden eher die Ausnahme bleiben. Häufiger wird es notwendig sein, die bereits angesprochene Integration in die Omni-Channel-Strategie richtig umzusetzen.

Ein praktischer Ansatz könnte es sein, die Kommunikation von Informationen, Waren und Dienstleistungen über Messenger an dem Geschäftsmodell eines Abonnements auszurichten. Erfolgreiche Abo-Geschäftsmodelle gehen insbesondere auf sechs Grundsätze ein. Ihre Übertragbarkeit auf die Nutzung von Messenger-Diensten für Vertriebs- und Marketigzwecke könnte wie dargestellt interpretiert werden:

 Erfolgsfaktor im Abo-GeschäftsmodellInterpretation bei Messenger-Nutzung
Übereinstimmung mit Kundenverhalten und -bedürfnisGute Produkte sind wichtig, aber unbedeutend, wenn sie nicht ein konkretes Kundenbedürfnis abdecken. Abo-Geschäftsmodelle müssen nützliches Kundenverhalten erkennen und insbesondere fördern.Das Kommunikationsbedürfnis ist dem Menschen angeboren. Messenger machen dies leicht und gewähren Privatheit. Unternehmenskommunikation kann Konsumenten leicht auf dieser Plattform abholen ohne dass sie ihr akzeptiertes Umfeld aufgeben müssen. Die Kommuikationsbarrieren sind sehr niedrig.
FlexibilitätGute Abo-Modelle erlauben ihren Kunden möglichst viele Parameter zu verstellen. Kündigungen werden nicht beleidigt beantwortet, sondern werden als Willensäußerung ernst genommen. Netflix, Spotify und andere quälen ihre Kunden nicht mehr langjährigen Verträgen.Messenger sind i.d.R. umsonst und ihre Nutzung richtet sich nach den möglichen Adressaten in der Peer-Group. Ihre 1:1 bzw. 1:n-Kommunikationsbeziehungen lassen sich individuell eingehen oder einstellen und gewährleisten Privatheit. Durch die Asynchronität können Nachrichten auch später rezipiert oder ignoriert werden. Messenger lassen dem Konsumenten also maximale Flexibilität.
User Experience (UX)Transparenz, Einsichtsmöglichkeiten und offene Kommunikation stärken das Vertrauen in Abo-Dienste. Offene Darstellung der Parameter mit großer Flexibilität erzeugen Kundentreue. Intransparente Abo-Modelle konterkarieren das eigentlich gewünschte Kundenversprechen nach einer Erleichterung. Steht eine gezwungene Kundenbindung durch fehlende Transparenz aus geschäftlichen Gründen im Vordergrund, wird dies nicht nachhaltig sein.Durch das Layout, das Kommunikationsprinzip und die frei (Ab-)Wahl der Kommunikationspartner unterstüten Messenger sehr gut die erlebte User Experience. Kommunikation im Rahmen einer einheitlichen Oberfläche mit privaten und geschäftlichen Kontakten fördert Akzeptanz, Nutzungsrate und Nachhaltigkeit.
PersonalisierungGute Abo-Dienste erfragen die Erfahrungen der Kunden mit ihren Produkten und bauen sie in das weitere Bezugsmodell mit ein oder nehmen zumindest das Feedback war. Dies erzeugt wiederum Kundenbindung.Messenger sind durch ihr Funktionsprinzip maximal personalisiert. Dies erschwert die schnelle, breite Ansprache von Zielgruppen. Erlaubt aber andererseits, die intensive Kontaktgestaltung mit Leads und Kunden.
KommunikationDer Grad der Interaktion mit dem Kunden ist bei vielen Abo-Diensten häufig eine Glaubensfrage. Viele vermeiden eine Kommunikation, um den Kunden nicht über die Sinnhaftigkeit des Bezugs anzuregen. Gemäß einer gut gelebten User Experience wäre eine transparente, ehrliche Kommunikation im Sinne der Kundenhaltbarkeit empfehlenswert.Nutzung von Messenger-Diensten zu vertrieblichen oder werblichen Zwecken ohne den Willen zur Kommunikation sind sinnlos. Da der Konsument auf diesen Plattformen zudem von bewusst gewählten und deshalb für ihn relevanten Kommunikationsbeziehungen geprägt ist, verbietet sich auch eine rein auf Plattitüden reduzierte Kommunikation. Geschäftliche Messenger-Kommunikation muss relevant, ehrlich und unmittelbar sein.
MehrwertNicht selten werden Abo-Geschäftsmodelle vom Konsumenten akzeptiert, weil sie alternativlos sind. Sie fügen durch die Übernahme von Service und ggfs. sonstigen Dienstleistungen auch einen gewissen Komfort-Mehrwert hinzu, weshalb sie vom Kunden toleriert werden. In wettbewerbsintensiven Märkten kommen Abo-Modelle deshalb regelmäßig unter Druck. Der Abo-Dienst ist deshalb gut beraten, kontinuierlich neuen, relevanten Mehrwert zu liefern.Diese Herausforderung ist zunächst nicht leicht transferierbar auf Messenger-Dienste, da sie ausschließlich die Kommunikationsseite abdecken und nicht – zumindest zumeist – nicht den Kern der Transaktion oder des Produktes darstellen. Allerdings kann die Qualität der Kommunikation den notwendigen Mehrwert liefern, um die Eintrittskarte auf der App des Kunden zu lösen. Belanglose Botschaften erreichen hier das Gegenteil. Sie müssen – wie bereits oben ausgeführt – relevant, ehrlich und unmittelbar sein, also auch trotz Asynchronität in kurzer Frist dialogisch bearbeitet werden.

 

Anders ausgedrückt: der Kunde muss immer das Gefühl haben, er sei Premium-Kunde weil er die Botschaften des Unternehmens auf seiner Messaging-App zulässt.

Je nach Messenger-Typ können Touch Points an verschiedenen Stellen in der Unternehmenskommunikation platziert und betrieben werden.

  1. Auf der Website: unabhängig, ob auf der Desktop-orientierten oder mobilen Website kann bspw. der WhatsApp-Button integriert werden und den Besucher zum Dialog einladen.
  2. Als Beratungs-Service-Chat: aufbauend auf der Website-Implementierung kann hier der Beratungs-Chat als eigener Kanal herausgehoben werden. Die Kontaktaufnahme erfolgt auch hier vom Lead/Kunden aus. Gute Verfügbarkeit im Communication Center, auch wenn es zunächst nur Chat-Bots sind, ist hier allerdings essentiell. Erste Beispiele liefern die WhatsApp-Kanäle der Cortal Consors Direktbank und der Sparkasse Kronach.
  3. Broadcasting-Kanäle: dies empfiehlt sich insbesondere bei häufig sich ändernden Stati von Diensten/Transaktionen wie bspw. Verspätungsmeldungen der Bahn, Serviceinformationen zur Netzverfügbarkeit, Wettermeldungen, Nachrichten (vgl. oben), Pistenverhältnisse, Warteschlangen etc.
  4. Newsletter: schon als Klassiker aus dem E-Mail-Marketing gut bekannt, können die selben bzw. angepasste Inhalte aus diesem Newsletter auch über Messenger verbreitet werden. Der Kanal kann natürlich auch im Newsletter beworben werden.
  5. Empfehlungsmarketing: analog zu Strategie auf Sozialen Netzwerken kann die Verbreitung des Messaging-Kanals auch über Empfehlungen propagiert werden.
  6. Selbstverständlich stehen die üblichen Above- und Below-the-line-Werbewege auch der Bewerbung für den Messaging-Kanal zur Verfügung. Die Eignung ist jedoch individuell und mit den übrigen Maßnahmen zu vernetzen.
  7. Empfehlungen durch Vereine und Organisationen: soweit Vereine und NGOs auf Text-Messaging basierende Dienste oder Informationen anbieten, ist es vorteilhaft, dass die Promotion von diesen an ihre Mitglieder und Stakeholder erfolgt. Ein Beispiel ist der Dienst RapidSMS, welcher pränatale Prophylaxe für mozambiquische Frauen darüber effizient organisiert.

Aufgrund der aktuellen Diskussion über den versandenden Safe Harbor und des EU-USA Privacy Shields sollte bei Nutzung von ausländischen Messsaging-Dienste die datenschutzrechtliche Situation durch ein Opt-in geklärt werden. Messaging-Dienste außerhalb der EU verarbeiten die Daten  außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG. Die Vertraulichkeit und Datensicherheit kann deshalb u.U. nicht gewährleistet sein. Weiterhin muss der Einsatz in bestehende betriebliche Prozesse integrierbar bzw. neue Prozesse generierbar sein.

Ebenso gibt es kulturelle Unterschiede zu beachten. So deutsche Internet-Nutzer kritischer als andere Nationen bei der Wertschätzung von virtuellen Kontakten. Eine kürzlich veröffentlichte GfK-Studie zeigt: „Internetnutzer in Brasilien, der Türkei und Mexiko sehen im virtuellen Kontakt mit Menschen oder Orten am ehesten eine Alternative zum persönlichen Kontakt. Internetnutzer in Tschechien, Schweden und vor allem Deutschland sind hingegen am kritischsten.“ Dies relativiert zwar die eingangs sehr euphorisch dargestellte Akzeptanz von Messenger-Diensten etwas, aber da sich die Studie wesentlich auf eCommerce-Inhalte bezieht und die aktive Nutzungsnachfrage der Messenger nicht vollumfänglich mit einbezieht.

„Klassische“ Werbung auf Messenger

Dass Facebook plant, Anzeigen in seinem Messenger zu platzieren ist nun wirklich nichts Neues mehr. Twitter, wobei dies nicht unbedingt ein typischer Messenger ist, praktiziert diese Art der Monetarisierung schon lange.

Der Ansatz besticht auf den ersten Blick ja auch. Wie oben herausgearbeitet, gibt es kaum ein aktuelles soziales Medium im Netz, welches so effizient ist und bei dem sich der Konsument vergleichbar offenbart. Diese Daten – angereichert aus den anderen sozialen Netzwerken und raffiniert mit Machine Learning/Big-Data-Algorithmen – für ein effizientes Ad-Targeting zu nutzen ist eine große Versuchung für den Werbetreibenden.

Klar ist auch, dass die kostenlose Messenger-Dienste sich refinanzieren müssen und deshalb auch auf ein gewisses Maß an Verständnis bei ihren Nutzern erwarten dürfen. Damit dieser effiziente Zugang aber nicht überstrapaziert wird, könnte sich das WeChat-Modell durchsetzen, welches die Anzahl der Werbenachrichten limitiert, um sie beim Nutzer nicht als Spam erscheinen zu lassen.

Jedenfalls sind Messenger-Anbieter und Werbetreibende gut beraten, bei Anzeigenschaltungen sensitiv vorzugehen, da die Nutzerschaft dies noch nicht notwendigerweise gewohnt ist.

Welche Messenger-Dienste bieten Anzeigenplätze an?

Facebook Messenger in Planung
Twitter ja
Threema nein
Signal nein
Whatsapp nein
BBM nein
ICQ Messenger nein
Tango nein
Yahoo Messenger nein
SIMSme nein
Wire nein
Viber nein
Line nein
Google+ nein
iMessage nein
ChatSecure nein
WeChat ja
Skype nein
Telegram nein
Snapchat ja
IMOnein

Abschließende Bewertung

Der Einsatz von Instant-Messaging-Diensten wie bspw. WhatsApp liefert den Unternehmen vielfältige Einsatzmöglichkeiten in Marketing- und Vertriebsszenarien. Nur wenige technische Kommunikationskanäle genießen eine derart hohe Verbreitung und Akzeptanz wie diese Dienste. Kostenfreie Angebote für Konsumenten und Firmen senken Eintrittsbarrieren und kannibalisieren tradierte Kommunikationskanäle. Die mit dem Kunden erreichbare Vertrautheit und direkte Eins-zu-eins-Beziehung steigert den Wert dieser Dienste. Unternehmen wie GoButler bauen das gesamte Geschäftsmodell auf diesen Diensten auf. Big Player wie Google und Facebook bauen ihre Präsenz und das Funktionsangebot in kurzer Frist massiv aus.

Werbetreibenden und Vertriebsverantwortlichen sollte ein Blick auf diese Dienste empfohlen sein.

Quellen und weiterführende Inforamationen:

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