Pull-Strategien für klassische Lotterien

Ausgangslage und Herausforderung

Klassische Lotterien, Gewinn- und Glücksspielanbieter leiden global unter Kundenschwund und der zunehmenden Vergreisung ihrer Klientel. Es ist nicht mehr normal und schon gar nicht en vogue Lotterie zu spielen. Auf keinen Fall ist dies opportun, wenn man noch unter 45 Jahre alt ist. Dabei ist nicht immer und ausschließlich die teilweise überharte Regulierung des jeweiligen nationalen Glücksspielmarktes verantwortlich und auch nicht das Aufkommen von Internet-Angeboten, sondern die Ursachen sind nicht unwesentlich intrinsisch und hausgemacht, welche für die zunehmende Unattraktivität des klassisches Glücksspielangebotes verantwortlich sind.

Einige Gründe:

  • Keine ausreichenden Einflussmöglichkeiten auf Spielverlauf und Ergebnis durch starke Zufallsbasierung des Gewinnentscheids.
  • Allen Varianten der klassischen Glücks- und Gewinnspiele ist eine gewisse Intransparenz gemein, da wesentliche Teile des Ablaufes und des Gewinnentscheids nur rudimentär oder nicht einsehbar sind.
  • Das Vertrauen in den Anbieter ist deshalb die essentielle Geschäftsgrundlage. Häufig wird dies aber nicht mehr erkannt und vom Anbieter als selbstverständlich vorausgesetzt bzw. auch der Rechtsstellung des Anbieters abgeleitet.
  • Starke Optimierung der Produkt-,  Preis- und Kommunikationspolitik durch Veranstalter zugunsten von Vermittlerinteressen mit der überraschenden Folge der zunehmenden Abhängigkeit des Veranstalters vom Vermittler und Wachstum der Vermittlerrente.
  • Aber gleichzeitig auch steigende CPOs für Vermittler durch starken Wettbewerb von Nicht-Glücksspielvermittlern, Graumarkt, Internet, Spieleentwickler, Digitalisierung trotz oder vielleicht gerade wegen einem massiven Vertriebsdruck (Push-Strategie).
  • Fehlende Orientierung beim Kunden durch eine Vielzahl von Angeboten und kostenlosen Gewinnspielen mit Abgrenzungsproblemen; auch Telefongewinnspielen.
  • Kunde empfindet keine Spielfreude bei klassischen Spiele-Layouts, da Eingriffsmöglichkeiten sehr beschränkt sind oder nur vorgeblich vorhanden sind.
  • Produktinnovationen beschränken sich auf immer höhere, einzelne Gewinnränge welche gleichzeitig immer unwahrscheinlicher richtig für den Kunden vorherzusagen sind (Gewinnwahrscheinlichkeit verschlechtert sich). Eine Folge ist die Auslobung immer höherer und „garantierterer“ Jackpots bzw. Spitzengewinne.
  • Veranstalter suchen den Ausweg durch Hereinnahme von weiteren Vermittlern und Forcieren damit weiter den Wettbewerbsdruck für bestehende Vermittler.
  • Pseudo-Innovation durch übertriebene, im Kern nicht neue Produktideen (z.B. fixe achtstellige Gewinnränge; auch bei Totalisatoren) mit geringen Margen und hohen Risiken.

Strategische Handlungsoptionen für Lotterien und Anbieter

  • Weitere Optimierung der Distributions- und Preispolitik, aber: Aufzehrung der Veranstaltermarge zugunsten der Vermittlungsmarge, Gewöhnung der Kunden an Preisnachlässe.
  • Produktinnovationen – mehr, mehr, mehr.
  • Produktelimination – Produkte auch mal sterben lassen.
  • Erhöhung des Push-Effektes (=Werbedruck durch direkte Werbung und/oder Verfügbarkeit – Annahmestellen).
  • Investition in die Marke und Public Relations (Kommunikationspolitik).
  • Produktvariation, d.h. weitere Erhöhung von Ausspiel bzw. Variation der Gewinnränge hin zu einer stärkeren Polarisation (= Stärkung der unteren, kleine Gewinnränge, ein großer Gewinnrang mit kommunizierbarer Attraktivität).
  • Bereinigung der Vertriebslandschaft (Eigenvertrieb, Gebietsaufteilung, Übernahme, Forcierung von Fusionen etc.).
  • Konzentration der Veranstalterlandschaft (=weniger Veranstalter bzw. ein nationaler, vielleicht auch supranationaler Veranstalter) mit daraus ggfs. resultierenden Synergieeffekten.
  • Verbreiterung der Wissensbasis über Spielverhalten und spielerrelevante Merkmale (Milieus, sozio-demographische, sozio-ökonomische, Sozialverhalten, Liquidität etc.) mit Methoden des Machine Learnings und Big Data-Algorithmen und konsequent umgesetzten Direct Marketing und Customer Relationship Management.

Kritische Bewertung des Marktverhaltens

Die klassischen Ansätze helfen nicht weiter. Eine weitere Optimierung der Prozesse und der Spielparameter bringt nur graduelle Verbesserungen, welche selbst in einer ansonsten statischen Wettbewerbsumgebung kaum vom Konsumenten wahrgenommen werden. Tatsächlich verändert sich aber das Wettbewerbsumfeld dramatisch und neue Mitbewerber für Lotterien entstehen an nahezu jeder Flanke wie bspw. Daily Fantasy Games, Internet Skill Games, Spielkonsolen, Quittungslotterien, Gewinnspiele, TV-Gewinnspiele etc.

Eine ausschließliche Optimierung der Spiel- und Vermittlungsparameter oder des Werbedrucks führt nicht zum Erfolg, da die Margen einerseits meist schon erheblich belastet sind und andererseits die Glücksspiel- und Verbraucherregulierung regide ist.

Illusorisch ist zudem die Annahme, dass mit der Einführung neuer, auf Zufall basierte Glücksspiele welche sich durch attraktive Spitzengewinne differenzieren wollen, neue Spieler akquiriert werden können. Hier sind lediglich Kannibalisierungseffekte zu erwarten und zu beobachten. Ein immer Mehr und immer Weiter des bekannten Prinzips wird keinen Erfolg haben, so lange der Spieler lediglich als zahlendes Objekt betrachtet wird, dessen Gewinnchancen minimal sind. Der Spieler will – wenig verwunderlich  – spielen und seine Person mit seinen Hoffnungen, seine Geschicklichkeit und natürlich auch sein Glück mit einbringen. Nur die Kombination aus diesen Parametern formt ein attraktives Spiel.

Das Dilemma dabei ist nur: je mehr Geschicklichkeit er einbringen kann und je besser die Gewinnchancen für ihn stehen, desto weniger bleibt beim Haus.

Neufokussierung: Strategieoption Skill-Games

Der Ausweg aus diesem Dilemma ist es eine angepasste und differenzierte Produktstrategie vorzuhalten, welche neue und jüngere Spieler akquiriert und in diese investiert, um sie dann im weiteren Lebenszyklus des Spielers beim Veranstalter zu monetarisieren. Der Lotterie-Anbieter agiert dabei dann quasi als Vollsortimenter, welcher geringe Margen für eine Produktlinie zugunsten anderer Produktlinien in Kauf nimmt, um insgesamt seine Vertriebsaufwände verhältnismäßig zu gestalten.

Um insbesondere für jüngere Zielgruppen attraktiv zu werden, müssen klassische Lotterien dem Spieler wieder mehr Raum und Gestaltungsmöglichkeiten einräumen. Er muss mehr Parameter an seinem Spiel ver- und einstellen können und er muss dabei das Gefühl entwicklen können, dass er Einfluss auf den Ausgang des Spiels hat und Spass dabei entwickeln kann. Prinzipien und Methoden der Gamification müssen Angebot und Produktdesign bereichern. Hohes Ausspiel und signifikanter Werbedruck sind dabei zweitrangig. Erstrangig ist, dass mit dem Angebot von Skill-Games die Spielfreude beim Kunden zurückkehrt und er gerne das Angebot des Veranstalters/Vermittlers wiederkehrend besucht. Dass dies zumeist online-basiert ist, ist selbstverständlich, um Kosten und Proliferation zu optimieren.

Skill-Games können den notwendigen Pull-Effekt auf die Plattformen der Veranstalter von klassischen Lotterien erzeugen und  junges Publikum (z.B. die derzeit heiß begehrten Millenials) an dessen klassisches Angebot heranführen.

Wichtige Voraussetzung ist, dass der Veranstalter auch eine adäquate technische Plattform vorhält, welche es erlaubt den Spieler auf seiner Customer-Journey zu begleiten, seine Daten auszuwerten und das Produktangebot als durchgängig und integriert darstellt. Durch vielfältige Angebot der Games-Industrie und der IT ist er dabei nicht auf Eigenfertigung angewiesen, sondern kann diese skalierbar in Cloud-Anwendungen bereitstellen (z.B. Salesforce).

Das Geschäftsmodell heißt also: Möglichst ubiquitäres Angebot von niedrigpreisigen oder kostenfreien Skill-Games mit maximal vielen Einfluss- und Einstellmöglichkeiten für den Spieler zur Heranführung von diesen an die Veranstalterplattform; Up-Selling/Veredelung des Kunden im Customer-Lifecycle zu mehrheitlich zufallsbasierten Produkten und Ausqualifizierung in klassische, margenstarke Lotterien.

Der Lebenszyklus dieser Produkte erinnert dann dabei mehr an ein Startup mit dem Prinzip „fail quick, try new quick“ als an das Reiten eines Dakota-Pferdes.

Versäumen die tradierten Anbieter die Einführung von „jungen“ Produkten welche den Spieltrieb junger Zielgruppen ansprechen, sterben sie zwangsläufig mit ihren alten Kunden aus.

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