Trotz der hohen Wettbewerbsintensität in Europa und insbesondere in Deutschland kommt die nächste Evolutionsstufe bei den gewerblichen Sportwetten – wieder einmal – aus den USA. Der Staat Nevada hat mit der Novellierung seiner Glücksspielgesetzgebung unter der Nevada Senate Bill 443 ermöglicht, dass nicht nur natürliche Personen auf den Ausgang von Sportereignissen gegen Geld wetten können, sondern auch juristische Personen. Dies führte nahezu zwangsläufig zu einer weiteren, nach den Wettbörsen, Abstraktionsstufe bei den Sportwetten: zu den Sports Entitiy Wagering Funds bzw. im deutschen Sprachgebrauch „Wettfonds“.
Diese nehmen selbst zwar keine Sportwetten an und machen auch nicht das „bookbuilding“, aber sie investieren in Sportpaarungen durch Abgabe von Tipps, bei denen sie versuchen, eine möglichst hohe Gewissheit über den Ausgang haben und/oder idealerweise die Quote für zu hoch angesetzt halten. Damit sollen hohe Renditen möglich sein, da die Fonds über eine gute Marktkenntnis und insbesondere über geeignete Algorithmen verfügen wollen, welche es ihnen erlaubt, in der Mehrzahl der Fälle die Ereignisse richtig vorherzusagen. Der Investor beteiligt sich nicht am konkreten Tippgeschehen und erwartet ein aktives Management wie beim klassischen Investmentfonds.
Ein erfolgreicher Tipp wäre auch die Grundvoraussetzung für den Investmenterfolg, denn für jede Paarung gibt entweder nur einen Gewinner oder eben einen Verlierer. Das Renditenpotenzial speist sich also aus dem überschüssigen Teil der Mindesterfolgsquote von 50 %. Nach Presseberichten soll derzeit mit Erfolgsquoten um 55 % operiert werden. Somit blieben also 5 % der Einsätze, um daraus die laufenden Kosten, die Steuern und die Gewinne zu finanzieren. Ob dies langfristig ausreicht, bleibt offen. Derzeit sind rund 10 Fonds auf dem Markt und mit dem Start. Mittelfristig geht die Branche aber von einem Hype-Thema aus und erwartet bis zu 100 Fonds auf dem Markt, welche sich ggfs. auch spezialisieren.
Unabhängige Experten geben jedoch zu bedenken, dass normalerweise bei Wetten die Vorteile auf seinen des Buchmachers lägen. Soweit Arbitrageeffekte und Effizienzpotenziale durch die Experten auf Anlageseite genutzt werden würden, würden diese wieder durch die Experten auf der Buchmacherseite kompensiert werden.
Sollte sich das Konzept nachhaltig etablieren können, ist von einem positiven Effekt für die Sportwettenbranche auszugehen, da sich durch die Gewinnung von investment-orientierten „Spielern“ mittels der Fonds das Gesamtmarktvolumen steigern wird und weiterhin kaum mit Kannibalisierungseffekten bei den bisherigen Spielern zu rechnen ist, da diese nach wie vor der Kontrollillusion der eignen, vermeintlich richtigen Vorhersage erliegen und nicht in abstrakte Investmentinstrumente investieren wollen.