1-Cent-Überweisung als Mailing-Ersatz?

Was ist die 1-Cent-Überweisung?

1-Cent-Überweisung ist in den letzten Jahren bei Unternehmen, Nicht-Regierungsorganisationen und Institutionen deutlich beliebter geworden. Dabei handelt es sich im Kern nur um eine Überweisung von der Bank des Absenders zu der des Empfängers zugunsten des Empfängerkontos mit einem Überweisungsbetrag von einem Euro-Cent. Wie bei jeder Überweisung kann im Verwendungszweck ein individueller Text kodiert werden. Heute werden die Überweisungen zumeist als SEPA-Überweisung ausgeführt.

Typische Anwendungsbereiche

Es lassen sich drei, differenzierte Hauptanwendungsgebiete von 1-Cent-Überweisungen herausarbeiten: zunächst nutzen gemeinnützige Organisationen (bspw. die City Kirche Berlin oder die Aktion Deutschland hilft) diesen Weg, um mit ihren anonymen Spendern einen Rückkanal zu öffnen und in Kontakt zu treten. Das etablierte Prüfinstitut DZI sieht diese Praxis nicht vereinbar mit dem deutschen Datenschutzrecht, da weder auf eine Einwilligung noch auf einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand zurückgegriffen werden kann und somit gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BDSG die Praxis als unzulässig einzustufen sei.

Der zweite mögliche Anwendungsfall ist die dolose Nutzung der 1-Cent-Überweisung als Verifikationsinstrument, um eine erratene oder sonstig erworbene Kontoverbindung zu verifizieren. Besonders Verbraucherschützer und Behörden haben in der Vergangenheit häufiger vor diesen Hoax-Praktiken gewarnt. Die praktische Relevanz ist jedoch noch nicht klar und vermutlich ist die Nutzung einer modernen Banking-Software effektiver; insbesondere nach der Einführung der IBAN.

Drittes Anwendungsfeld ist die Nutzung als Teilschritt in einem Online-Verifizierungsprozess im Rahmen der Sicherstellung der Altersverifikation. Soweit bei dieser die Kontoverbindung herangezogen wird oder sogar als Nachweis für eine Volljährigkeit dient (vgl. hierzu u.a. meinen Beitrag Authentifizierung mit dem Mobiltelefon), wird die Existenz der Bankverbindung von eCommerce-Anbietern häufig damit verifiziert, dass man dem Kunden eine 1-Cent-Überweisung mit individualisiertem Verwendungstext zukommen lässt. Dieser meldet dann die im Verwendungstext enthaltene Botschaft zurück. Da auch von Behörden (bspw. KJM) anerkannt wird, dass die Bankverbindung i.d.R. als so wichtig erachtet wird, dass keine unbefugten Dritten darin Einsicht nehmen können, kann somit davon ausgegangen werden, dass der individualisierte Verwendungstext auch nur dem bekannt werden kann, dessen Kontoverbindung genutzt wird. Der Vorgang der Überweisung entwickelt sich dazu zu einem sehr effizienten Weg der asynchronen, sicheren Kommunikation und tritt damit eigentlich schon in gewisse Konkurrenz zu anderen sicheren elektronischen Kommunikationsmitteln wie De-Mail oder ePost.

Nutzung als Mailing

Wesentliche Grundintentionen des klassischen Dialog-Marketings-Instrumentes Mailing sind bei der 1-Cent-Überweisung gegeben:

  • Schnelle Zustellung
  • Direkte Ansprache
  • Individualisierbarkeit
  • Relevanz

Verstärkend kommt bei der 1-Cent-Überweisung hinzu, dass die Wahrscheinlichkeit der Beachtung beim Empfänger sehr hoch ist, da Zahlungseingänge auf dem eigenen Konto naturgemäß beachtet werden. Auch der werbe-psychologisch nicht unerhebliche Umstand, dass man unerwartet etwas geschenkt bekommt  – auch wenn es nur 1 Euro-Cent ist – erhöht die Akzeptanz und damit die Relevanz der Ansprache erheblich.

Der individualisierbare Text im Verwendungszweck war bei der nationalen Überweisung im bisherigen DTA-Zahlungsverkehr mit 14 x 27 Stellen = 378 Stellen noch komfortabel. Bei einer heute gebräuchlichen SEPA-Zahlung stehen im Verwendungszweck nun maximal 140 Zeichen zur Verfügung. Man muss seine Marketing-Botschaft also auf Twitter-Format schrumpfen, aber dies ist in Zeiten von Social Marketing sowieso das Gebot der Stunde.

Business-Case 1-Cent-Überweisung als Mailing

Attribute Klassisches Mailing 1-Cent-Überweisung
Produktionskosten ca. 40 ct bis 1,50 Euro 1 ct als „Geschenk“ für Empfänger
Versandkosten/Porto ca. 30 ct keine
Handling ca. 5 ct keine
Dienstleister ca. 2 ct ca. 2 bis 5 ct je nach individuellem Kontomodell
ca. 77 ct bis 1,87 Euro ca. 3 bis 5 ct

Die obige Gegenüberstellung der Kosten beschreibt sehr kurz und auf vereinfachtem Niveau die deutlichen quantitativen Vorteile der 1-Cent-Überweisung im kommunikativen Einsatz. Neben diesen quantitativen Aspekten ist auch der qualitative Aspekt der nahezu unmittelbaren und sicheren Zustellung hervorzuheben.

Neben den Kostenaspekten ist natürlich die Anzahl der Reagierer (Responsequote) für die Performanz einer Dialog-Marketing-Maßnahme wesentlich. Hier bestehen noch keine hinreichenden Erkenntnisse für die 1-Cent-Überweisung, jedoch darf aufgrund der hohen Aufmerksamkeitswerte und der Verknüpfung mit einer Geldleistung davon ausgegangen werden, dass zumindest zu Beginn eine hohe Reagiererquote zu erwarten ist. Entscheidend dürfte dabei sein, inwieweit es gelingt, Responseelemente wie bspw. Aufforderungen zum Rückruf, Nutzung einer Microsite etc. in die Botschaft zu integrieren. Die Eignung des Instrumentes 1-Cent-Überweisung kombiniert mit der verwendeten Marketing-Botschaft entscheidet dann letztlich über der Erfolg der Maßnahme. Wie bei allen anderen Dialog-Marketing-Maßnahmen auch wäre ein systematisch aufgebauter Test vorzunehmen.

Verschwiegen werden darf an dieser Stelle nicht der Umstand, dass aufgrund der prozessualen Anbindung und des Automatisierungsgrad in der Kreditorenbuchhaltung sich die 1-Cent-Überweisung nicht im B2B-Geschäft einsetzen lässt.

Gefahren

Funktionierende Dialog-Marketing-Maßnahmen bergen in sich regelmäßig die Gefahr, dass deren Einsatz übertrieben wird. Einerseits durch den Innovator selbst, welcher in der Gedankenfalle der linearen Fortschreibbarkeit seiner erfolgreichen Maßnahme gefangen ist und andererseits durch den nachgeholten Einsatz der Maßnahme durch den aufmerksamen Wettbewerb, welcher erfolgreiche Setups imitiert. Im Ergebnis ist dann mit einer Vielzahl von gleichlaufenden Dialog-Marketing-Maßnahmen zu rechnen, welcher sich letztendlich in Spam artikuliert und somit die Akzeptanz bei Verbrauchern, Behörden und Regulieren erodiert.

Bei der 1-Cent-Überweisung als Dialog-Marketing-Maßnahme käme noch der besondere Umstand hinzu, dass man sich wegen der Nutzung der Instrumente des Giroverkehrs das Wohlwollen der beteiligten Kreditinstitute und der Regulierer (Bafin etc.) von diesen erhalten muss.

Weitere Gefahr ist der generelle Entwertung der Überweisung an sich, da bei zu starkem Einsatz der Charakter hin zu einer Marketing-Maßnahme verwässert wird. Damit würde die Maßnahme den Vertrauensvorschuss der soliden, unverdächtigen Banktransaktionen – auf die sie baut – selbst zerstören und entwerten. Wie bereits oben erwähnt ist dabei das Ausmaß und die Proliferation der Maßnahme entscheidend. Wird die Grenze der kritischen Wahrnehmung überschritten, kippt das System und harte Sanktionen werden provoziert.

Fazit und Ausblick

Der Einsatz des Instrumentes 1-Cent-Überweisung aus dem Giralverkehr als individualisierbare Dialog-Marketing-Maßnahme verspricht große Vorteile. Kosten, Akzeptanz, Innovationsgrad, Aufmerksamkeit und werbe-psychologische Aspekte lassen eine hohe Wirksamkeit und Performanz vermuten. Die Beschränkung auf 140 Zeichen ist insgesamt eher als positiv retardierendes Element zu verstehen, welches denkbaren Exzessen in Form von sich überschlagenden Marketing-Botschaften entgegenwirkt und die Nachhaltigkeit unterstützt. Das Einverständnis von Kreditinstituten und Regulieren ist allerdings noch diffus, ebenso deren Preispolitik bei bewusster Duldung oder gar Förderung dieses Instrumentes.

Klug, gezielt und in abgestimmter Verbindung mit anderen Marketing- und Vertriebsmaßnahmen und den rechtlichen Anforderungen kann dieses Instrument eine sehr sinnvolle Ergänzung von Ansprachemöglichkeiten im B2C-Bereich sein. Der B2B-Bereich ist für dieses Instrument nicht empfänglich.

Die weitere Verwendung durch Unternehmen bleibt abzuwarten. Nachdem Sozialorganisationen die 1-Cent-Überweisung zur Identifizierung von anonymen Spendern bereits seit langem als Dialog-Instrument einsetzen ist zuletzt offenbar mit der Firma O2 (Telefonica) und deren Erfüllungsgehilfen ein bedeutenderer Player hinzugekommen, welcher das Instrument in der oben beschriebenen Weise nutzt.